Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 114

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Darüber hinaus war ja offenbar auch geplant, den Untersuchungsrichter zu versetzen. Man habe ihn bereits davon informiert. Nachdem dies in der Öffentlichkeit zu großer Empörung führte, wurde offenbar die Notbremse gezogen, ein Rückzieher gemacht und so ein unglaublicher Skandal vermieden. Der Eindruck bleibt aber: Einem Untersuchungsrichter, der unbequem ist, weil er seiner Arbeit nachkommt, wird das Leben schwer gemacht.

Nun liegt auch schon der Endbericht der Wirtschaftspolizei vor. Das heißt, einerseits liegt er vor, andererseits wieder nicht, denn es liegt zwar an sich ein Bericht vor, der alle Fakten zur Spitzelaffäre enthält, aber offenbar passt er nicht ins Konzept, und er wurde deshalb zur Überarbeitung zurückgeschickt.

Es gibt Medienberichte, die besagen, dass es eine Aufforderung der Staatsanwaltschaft zur Kürzung dieses unangenehmen Endberichtes gibt, und zwar durch Streichung jener Faktenkreise, an welchen zufällig die Herren Haider, Stadler und Mikscha beteiligt sein sollen.

Welchen Eindruck, Herr Bundesminister Böhmdorfer, hätten Sie als Unbeteiligter, würden Sie derartige Vorgangsweisen beobachten? Es kann nicht anders sein: Auch Sie, wären Sie Unbeteiligter, müssten den Eindruck gewinnen, dass dieser Bericht offenbar viel zu brisant für die Freiheitliche Partei ist und dass dieser Bericht deshalb geschönt werden muss. Das ist, meine Damen und Herren, eine skandalöse, eine noch nie da gewesene Vorgangsweise, die auch nicht passieren darf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt für Sie, Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang nur mehr eine Möglichkeit, das Gesicht zu wahren. Herr Bundesminister, veröffentlichen Sie umgehend den ursprünglichen Bericht, den Bericht in seiner unzensurierten Fassung! Sagen Sie das bitte heute dem Parlament zu! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die großen Fragezeichen rund um diese jüngsten Ereignisse – der U-Richter bekommt nicht alle Erhebungsergebnisse, er sollte ursprünglich vom Fall abgezogen werden, der Endbericht soll geschönt werden, weil er zu unangenehm ist, angebliche Einsichtsvermerke, die zur Einstellung von Verfahren führen – rufen eine Aussage des Herrn Bundesministers in Erinnerung: In einem "Mittagsjournal"-Interview wurde er gefragt, ob er sich in die Ermittlungen einschalten will. Er hat damals gesagt:

"Ich werde nach Möglichkeit nicht eingreifen. Das einzige Motiv, das ich mir derzeit vorstellen kann, ist jenes, dass ich die Verfahren gerne sehr schnell abgewickelt hätte, und es könnte schon sein, dass ich mich im Interesse der Beschleunigung darum kümmere."

Herr Bundesminister! Erleben wir jetzt mit den vorhin zitierten Schritten die "Beschleunigung des Verfahrens"? Haben Sie das so gemeint? Offenbar soll das Verfahren beschleunigt werden, indem wichtige Teile des Verfahrens erst gar nicht stattfinden können. Jedenfalls wird damit die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses immer dringlicher. Offensichtlich kann nur ein Untersuchungsausschuss Licht ins Dunkel dieser zahlreichen Facetten bringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

In Sie, Herr Minister Böhmdorfer, können wir nicht das Vertrauen setzen, dass eine lückenlose Aufklärung möglich ist. Im Gegenteil! Sie sind offenbar Garant dafür, dass die entscheidenden Lücken in die Aufklärung gebracht werden. Sie, Herr Minister, haben nie die Befürchtungen ausräumen können, dass Sie auch in der Position des Justizministers der Republik der Parteianwalt der Freiheitlichen Partei geblieben sind. Sie stellen offensichtlich nach wie vor parteipolitisches Interesse über die Interessen des Rechtsstaates. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die jüngsten Vorfälle erhärten diese Zweifel, wonach Sie zu befangen sind, eine tatsächliche Aufklärung dieses unglaublichen Skandals zu gewährleisten. Die jüngsten Vorfälle, Herr Bundesminister, haben diesen Skandal nur noch weiter vergrößert.

Ziehen Sie, Herr Bundesminister, die Konsequenz! Treten Sie von Ihrem Amt zurück (Abg. Haigermoser: Aber geh!), und ergreifen Sie damit doch noch die Chance, dem Rechtsstaat einen Dienst zu erweisen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

15.20


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