Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 168

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selbst das Gift in der Hand haben, niemals selbst mit dem Gift körperlich in Berührung kommen, aber Hunderte, wenn nicht Tausende ins Unglück stürzen.

Jetzt kommen Leute, die sagen: Die werden eh nie erwischt! – Sie werden leider selten erwischt. Ich habe selbst schon als Verteidiger – man kann sich die Leute, die man verteidigt, nicht oder nicht immer aussuchen – solche "Gentlemen" – unter Anführungszeichen – vertreten, die in der Regel aus dem Iran waren. Beide Personen, auf die ich mich damit beziehe, waren aus dem Iran. Von denen hat der eine 18 Jahre und der andere 19 Jahre bekommen. Ich betone dies deshalb, weil man daraus erkennt, dass die Richter einen Bedarf an höheren Strafmöglichkeiten sehen, denn meistens ist es so, dass der Richter zunächst mit einer bedingten Strafe vorgeht, wenn das möglich ist, zuerst womöglich mit einer Geldstrafe, dann mit einer bedingten, dann mit einer teilbedingten Strafe, und dann kommt er in das unterste Drittel der Strafdrohung hinein.

Aber wenn bei diesen Leuten, die, wenn man sie erwischt, immer unbescholten sind, gleich so knapp an die derzeitige Grenze von 20 Jahren herangegangen wird, wie ich das selbst erlebt habe, dann haben die Richter den Eindruck, da muss man eigentlich noch weiter hinauf gehen können.

Es passt aber die Strafdrohung "lebenslang", die heute beschlossen werden soll, nicht nur in das europäische Umfeld. In Europa, in den vergleichbaren Ländern des vereinten Europa, ist es so, dass in fünf Staaten, nämlich in Frankreich, in Griechenland, in Irland, in Luxemburg und in Großbritannien, auf schwere Drogendelikte "lebenslang" steht und in vier weiteren europäischen Ländern jedenfalls mehr als jene 20 Jahre vorgesehen sind, die in Österreich die Höchststrafdrohung darstellen. Das heißt, es ist nicht so, dass man in den anderen Staaten Europas mit den Fingern auf uns zeigen würde, wir haben da vielmehr einen Nachholbedarf zu erfüllen.

Andererseits aber passt diese Anhebung auch in die Logik des österreichischen Strafgesetzbuches. Bei uns ist es immer dann, wenn jemand eine strafbare Handlung begeht und es einen Toten dabei gibt, ohne dass er es darauf anlegt, in aller Regel sogar ohne dass er das auch nur im Entferntesten haben möchte, so, dass die Strafdrohung sofort von 20 Jahren auf "lebenslang" angehoben wird, zum Beispiel bei der Brandstiftung, beim Raub, bei der Gefährdung durch Kernenergie, bei der Gefährdung durch Sprengmittel, bei der vorsätzlichen Gemeingefährdung, beim unbefugten Umgang mit Kernmaterial. – All das sind Delikte, bei denen es um ganz etwas anderes geht als um die Tötung eines Menschen oder von mehreren Menschen. Es geht um Eigentumsdelikte wie beim Raub, es geht bei Brandstiftung um alles Mögliche. Aber jedenfalls will man nicht, dass dabei jemand umkommt, man rechnet auch nicht damit. Trotzdem, wenn es passiert, ist die Strafdrohung "lebenslang".

Es ist viel dramatischer beim Drogenhandel im großen Stil. Dort rechnet der Betreffende damit, dass er viele, viele, meist sehr junge, immer jüngere Menschen ins Elend stürzt und viele davon in den frühen Tod befördert. Das heißt, er nimmt zustimmend in Kauf, was da passiert. Und der Logik folgend, die unserem Strafrecht innewohnt und die ich versucht habe Ihnen darzustellen, ist es daher auch nur klar, dass in einem solchen Fall "lebenslang" die Drohung sein muss, sonst werden diese international im Gift-Bereich tätigen Konzernherren besser behandelt als ein Räuber, der – aus welchen Gründen immer – einmal zu fest zuschlägt mit der Folge, dass jemand liegen bleibt, ohne das rechtfertigen zu wollen, oder ein Brandstifter, der ein Vermögensdelikt begehen will, und dann ein Toter auf der Strecke bleibt.

Das heißt, es handelt sich nicht um eine Gruppe von Adressaten, die unser Mitleid auch nur im Entferntesten verdient. Warum man sich da den Kopf darüber zerbricht, ob man nicht irgendwelche Beweisprobleme ins Kippen bringen könnte, weiß ich nicht. Das gibt es immer im Strafverfahren, denn wenn man im Strafverfahren einen Unschuldigen zu 18 Jahren verurteilt, dann ist das dem System nach auch nicht gerade lustig. Wem nicht nachgewiesen werden kann, dass er etwas angestellt hat, der soll ja nicht weniger an Strafe kriegen, sondern der ist freizusprechen.

Es passt ins europäische Umfeld – die sind uns diesbezüglich um Nasenlängen voraus –, und es passt in das System der österreichischen Strafrechtspflege. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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