Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 141

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das ist etwas, was wir daraus lernen sollten, auch im Hinblick auf die vorhin von Herrn Kollegen Einem in interessanter Art und Weise angesprochene Frage der AVNOJ-Bestimmungen und Beneš-Dekrete. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Die heute noch Lebenden sollen nicht Vorwürfe erhalten für Dinge, die sie nicht zu verantworten haben!)

Herr Kollege Einem! Sie haben einen sehr interessanten Satz gesagt: Die heute noch Lebenden sollen nicht Vorwürfe für eine Vergangenheit erhalten, die sie nicht zu verantworten haben. – Ich stimme Ihnen hier zu, das muss aber in der Diskussion für alle gelten. Das gilt für alle Länder und für alle Staaten.

Wir haben in letzter Zeit wirklich sehr viel in dieser Richtung getan, aber es gibt auch Bereiche, in denen auch dort Änderungen vorgenommen werden müssen. Stellen Sie sich vor, in Österreich wären bestimmte Gesetze noch in Geltung! Welchen Einfluss, welche Wirkung und auch Außenwirkung hätte das auf die Überlebenden dieser Zeit gehabt?

Herr Kollege Einem! Wenn, dann für alle, und daher sage ich hier ganz bewusst und deutlich, auch als Erklärung zu einem heutigen Zeitungsartikel: Für uns Freiheitliche gibt es kein Ja zu einem EU-Beitritt für Staaten, die sich nicht eindeutig und offiziell, das heißt durch Aufhebung der entsprechenden Teile der Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen, von diesen Unrechtsgesetzen getrennt haben. Das gilt auch für Slowenien. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Regelung von Einzelfällen genügt nicht.

Andererseits, das muss man auch dazusagen – und ich sage das durchaus mit Zufriedenheit und Freude –, ist bei unseren Nachbarn langsam ein Umdenken zu beobachten. Das hat die Frau Außenministerin schon angesprochen, und das wurde auch beim Besuch tschechischer Parlamentarier deutlich, mit denen wir hier sehr gute Gespräche geführt haben. Auch die angesprochene Historiker-Debatte geht in die richtige Richtung, ebenso wie die Entwicklung um das Kulturabkommen mit Slowenien. Wir hoffen wirklich darauf, dass es in dieser Richtung weitergeht.

Die österreichische Außenpolitik konzentriert sich richtigerweise besonders auf unser Umfeld in Ost- und Südosteuropa und auf den Balkan. Als gefährlichster Krisenherd in diesem Raum hat er besondere Bedeutung. Historische Beziehungen zu diesem Raum bieten Chancen, erlegen uns aber auch – das ist kein Widerspruch zu meinen vorigen Ausführungen – besondere Zurückhaltung auf, wenn es um die innere Entwicklung in diesen Ländern geht.

Aus beiden Gründen sind wir gut beraten, nicht zu besserwisserisch in Nationalitätenkonflikte einzugreifen. Gute Dienste, humanitäre Hilfe – und dort, wo es von beiden Seiten gewünscht wird, auch Einsätze im Sinne von Petersberg – wollen wir gerne leisten. Zu militärischer Zwangsbeglückung sollten wir uns aber nicht drängen lassen. Ich hoffe, ich bin einmal mit Frau Kollegin Lichtenberger einer Meinung. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Gefährliche und auch weltfremde Ideale haben auf dem Balkan schon sehr viel Unheil angerichtet. Wir sollten, ja wir müssen die Gegebenheiten zur Kenntnis nehmen, ob sie uns gefallen oder nicht, wenn wir manche Konflikte nicht perpetuieren wollen. Wer glaubt, dass die Albaner im Kosovo jemals wieder Steuern an Belgrad zahlen werden, oder wer glaubt, dass sie ein Gericht der jugoslawischen Republik anerkennen werden oder sich einem Urteil eines solchen Gerichtes unterwerfen werden, der ist gefährlich weltfremd und hält künstlich einen Schwebezustand aufrecht, der eine Normalisierung in diesem Raum in Wahrheit verhindert.

Dazu eine grundsätzliche Anmerkung zur Nationalitätenfrage auf dem Balkan, wo gerade die Leugnung der Realitäten maßgeblich zum Kriegsausbruch von 1991 beigetragen hat. Wer die Serben, die Kroaten oder die Albaner dort, wo sie als Mehrheit in einem an ihr Mutterland angrenzenden geschlossenen Siedlungsgebiet leben, unter Druck von einer Wiedervereinigung mit jenem Staat abhält, dem sie sich ethnisch zugehörig fühlen, nur weil mit Zwang Grenzen aufrechterhalten werden sollen, die nicht mehr passen, macht einen schwerwiegenden Fehler und wird den Konflikt verlängern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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