Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 157

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42 Jahre ist es her, dass ich in einer besonders schwierigen Zeit Südtirols, als die gewaltsame italienische Assimilierungspolitik einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, mit einem Jugendchor zehn Tage lang durch Südtirol gezogen bin und wir jeden Abend in einem anderen Dorf ein Chorkonzert gaben, bei dem wir unsere Volkslieder gesungen haben (Abg. Mag. Posch: War da der Khol auch dabei?), um der dortigen Bevölkerung zu zeigen, dass sie nicht nur vom offiziellen Österreich, sondern auch vom einfachen Volk nicht vergessen wird – eine Sängerfahrt, die mir unvergessen geblieben ist und von der ich ein Streiflicht zitieren möchte. In Taufers erzählte uns damals ein Bauernbursch:

In der Schul’ frog’n se uns: "Che paese è questo?" (Welches Land ist das?) Nachha sogd’n mir: "E Italia, ma terra nosch tra!" – und des megden se gor net! (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. )

Damals konnten wir in unseren kühnsten Träumen nicht erhoffen, dass eine Zeit kommen würde, in der das Südtirol-Problem schon deshalb entschärft sein wird, weil Österreich und Italien in einer gemeinsamen Europäischen Union vereint und die Grenzen zwischen beiden Ländern weggefallen sein werden.

Lassen Sie mich ausdrücklich festhalten, meine Damen und Herren, dass die großen Erfolge der österreichischen Südtirol-Politik in den vergangenen vier Jahrzehnten nicht zuletzt darauf beruhten, dass diese Politik aus dem Parteienstreit herausgehalten werden konnte und dass sie – unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der österreichischen Bundesregierung – konsensual erfolgte, eine Hommage auch Richtung Opposition. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine heutige große Freude beruht darauf, dass diese erfolgreiche Südtirol-Politik unter der Ministerschaft von Benita Ferrero-Waldner neue Meilensteine setzen konnte. Lassen Sie mich nur einen herausgreifen, nämlich den – und das werden viele von Ihnen noch nicht wissen –, dass am 28. Februar dieses Jahres von der italienischen Abgeordnetenkammer ein Verfassungsreformgesetz genehmigt wurde, mit dem die Pflicht zur Genehmigung von Südtiroler Landesgesetzen durch Rom abgeschafft und erstmals die deutsche Bezeichnung "Südtirol" in die italienische Verfassung aufgenommen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Das ist weit mehr als eine bloße Äußerlichkeit. Unsere Freude möge uns aber nicht zum Träumen verleiten; Österreich wird sich weiterhin seiner Schutzmachtfunktion bewusst sein müssen. Ich verweise nur auf die in nächster Zeit noch zu lösende Frage, ob eventuell die Vier-Jahres-Ansässigkeitspflicht reduziert werden könnte, im Paket mit einer Übertragung weiterer schulischer Kompetenzen vom Staat auf das Land Südtirol.

Erlauben Sie mir ein Schlusswort zur Debatte über Außenpolitik, bei dem ich mir dessen bewusst bin, dass ich mich auf ein außerordentlich heikles Terrain begebe.

Seit 1806 war in Österreich der "Traum vom Reich" nie verstummt. 1919 hat der Nationalrat erklärt, Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik, und 1938 haben Theodor Innitzer und Karl Renner zum "Ja" aufgerufen.

Hohes Haus! Für mich besteht eine der wichtigsten Konsequenzen der Schaffung der Europäischen Union darin, dass dieses traumatische Thema gegenstandslos geworden ist, es besteht nicht mehr, und zwar einfach deshalb, weil wir mit allen anderen EU-Staaten genauso wie mit Deutschland vereint sind, und dass Österreich daher als Mitglied der Europäischen Union frei von dieser psychischen Bürde, die vor uns Generationen belastet hatte, in seine Zukunft gehen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe III des Bundesvoranschlages für das Jahr 2002.


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