Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 65. Sitzung / Seite 13

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knapp 60 Seiten und dient dann als Handlungsanweisung. (Abg. Dr. Lichtenberger: 60!) – Fast 60 Seiten. Darin hat man sich auf relativ vernünftige Sachen geeinigt, die Sie jetzt gnadenlos und schamlos herausreklamiert haben. (Beifall bei den Grünen.)

Man hat sich auf eine patientenfreundliche Gesetzesinterpretation geeinigt, insbesondere hinsichtlich der Befreiungsgründe, auf einen einfachen, leicht zu administrierenden Datensatz, die Nutzung bereits bestehender Datenflusswege et cetera und einige bürokratische Dinge. Aber "patientenfreundlich" ist darin gestanden.

Was Sie jetzt mit Ihrem neuen Vorschlag machen, den wir – das ist auch für die Besucher auf der Galerie wichtig – vor 15 Minuten bekommen haben und den wir nie diskutieren durften – das ist sehr antidialogisch und sehr antidemokratisch; ich sage, es ist auch sehr unintelligent; von Fairness wage ich gar nicht zu reden –, ist Folgendes: In diesem Vorschlag und in dieser Novelle haben Sie eine Ausweitung der Betroffenen locker – das sage ich jetzt, ohne es nachgerechnet zu haben – um den Faktor 5. Was daran eine Verbesserung ist, ist erklärungsbedürftig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt können wir natürlich fragen: Welchen gesundheitspolitischen Beitrag haben Ambulanzgebühren, oder wird Gesundheitspolitik nur mehr aus budgetären Erwägungen gemacht oder reduziert? Oder soll sie überhaupt entfallen?

Gesundheitspolitisch ist etwas schon spannend – ich sage es Ihnen am Beispiel zweier sehr großer Krankenanstalten –: In Innsbruck wie in Wien sind über 90 Prozent aller Ambulanzen Spezialambulanzen, das heißt Ambulanzen für seltene Erkrankungen. Seltene Erkrankungen sind meistens auch schwere Erkrankungen, die den betroffenen Patientinnen und Patienten zusetzen und sie aufs Äußerste psychisch und körperlich strapazieren. Darunter fallen Ambulanzen für multiple Sklerose, Parkinson, Herzschrittmacher-Patienten, Psychosomatik für Kinder und vieles andere mehr, für die in der Peripherie keine adäquate, keine leicht erreichbare Versorgungsstruktur besteht.

Ich habe Krankenhäuser in Kärnten und in Salzburg besucht. Dort haben mir Kolleginnen und Kollegen – sie sind bestimmt nicht zum überwiegenden Teil Grün- oder Rot-Wähler – erzählt, auch sie werden es in Zukunft so handhaben, dass sie für PatientInnen entscheiden, weil in der Peripherie – da ist besonders Kärnten interessant – manche Strukturen nicht existieren. Man hat es verabsäumt – nicht nur in Kärnten, aber auch dort –, eine Leistungsangebotsplanung zu machen. Da gibt es über weite Strecken keinen Orthopäden, keinen Psychiater. Da gibt es dann Anreisewege für Patientinnen und Patienten von 50, 60 Kilometern zum nächsten Facharzt. Wollen Sie dann jene Leute bestrafen, die Ambulanzen und bestehende Einrichtungen nutzen? – Ich finde das mehr als eigenartig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weiters halte ich es gesundheitspolitisch für ein ganz immanentes Qualitätssicherungsproblem, wenn Fachärzte nach Begutachtung einer Patientin sagen: Ich kenne mich nicht mehr aus, ich möchte nicht den Richter spielen, ich fange nicht an, Roulette, Glücksrad oder irgendwas zu spielen, ich kann nicht stundenlang nachlesen oder herumtelefonieren, ich möchte die Patientin aber adäquat am richtigen Ort durch die richtige Betreuung versorgt wissen. – Auch in diesen Fällen ist dann die Gebühr zu zahlen. Das ist wirklich absurd!

Weiters soll der niedergelassene Bereich gestärkt werden – dazu kann ich mich schon bekennen –, aber Sie, die die Marktwirtschaft predigen, werden mir doch nicht weismachen, dass, wenn der niedergelassene Bereich jetzt etwas an Leistungen übernehmen soll, die er bislang nicht übernommen hat und die bislang von den Krankenhäusern und ihren Ambulanzen angeboten wurden, das kostenneutral gehen soll! Es werden mehr Leistungen vom ambulanten Bereich in den niedergelassenen Bereich verlagert, und gleichzeitig wollen Sie bei diesen Ärzten 1,5 Milliarden Schilling einsparen. Ich habe Kollegen Pumberger schon gesagt, ich brauche seine Kugerlrechenmaschine nicht dazu, um draufzukommen, dass sich das nie ausgeht. Wo soll also der Einsparungseffekt sein?


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