Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 53

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Diese Absicht wird klar, wenn man neben dem Gesetz auch die gleichzeitig dem Hohen Haus vorgelegte Sicherheitsdoktrin in ihrem ersten Teil zu lesen beginnt. Im vorliegenden Gesetz streichen Sie zwar sämtliche Zitate des Neutralitätsgesetzes heraus und flüchten in den schwammigen Begriff der völkerrechtlichen Verpflichtungen, aber in der Sicherheitsdoktrin sagen Sie deutlich, was Sie meinen. Dort ist auf Seite 60 zu lesen, dass die Neutralität jener politische Preis war, den Österreich zu zahlen hatte, um die volle Souveränität im Jahre 1955 wiederzuerlangen, dass darüber hinaus die Neutralität die umfassende Teilnahme Österreichs an der europäischen Integration behindert und dass daher die Bundesregierung – so zu lesen auf Seite 64 – zur Auffassung gelangt sei, dass im europäischen Kontext die Neutralität nicht mehr relevant ist.

Meine Damen und Herren! In der Sicherheitsdoktrin deklarieren Sie klar Ihre Absicht: Die Neutralität muss weg. Die Motivation, die Neutralitätszitate aus dem Kriegsmaterialgesetz zu streichen, ist damit deklariert. Im Gesetz selbst haben Sie aber, wie schon gesagt, nicht den Mut und die Ehrlichkeit, das auch deutlich zu sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Alle Ihre Interpretationskünste, meine Damen und Herren, werden nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie durch ein einfaches Bundesgesetz die Neutralität weder aushebeln noch aushöhlen können. Sie haben bei der Vollziehung dieses Gesetzes selbstverständlich auch das Verfassungsgesetz mit zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang muss ich Sie darauf hinweisen, dass das scheinbare einfachgesetzliche Können im Kriegsmaterial- und Truppenaufenthaltsgesetz nicht das verfassungsgesetzliche Dürfen in Frage stellen kann.

In diesem Zusammenhang ist deutlich darauf hinzuweisen, dass wir Sozialdemokraten auch in den nächsten Jahren mit aller Deutlichkeit darauf Bedacht nehmen werden, dass bei jedem Vollzugsakt dieses Gesetzes das Neutralitätsgesetz in vollem Umfang gewahrt bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratie wird all ihre rechtlichen und auch politischen Mittel ausschöpfen, sicherzustellen, dass auch in Zukunft nach der Beschlussfassung dieses Gesetzes das Neutralitätsrecht und das Neutralitätsgebot unserer Verfassung gewahrt bleiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Neutralitätsgesetz sind drei Teile enthalten: Erstens, keine Kriege zu führen, zweitens, das österreichische Staatsgebiet frei von fremden Truppen zu halten, und drittens, keinem Militärbündnis beizutreten. Mit diesem Gesetz versuchen Sie, das Konzept der Bündnisfreiheit verfolgend die ersten zwei Elemente einzuschränken und zurückzudrängen.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang sind Sie darauf hinzuweisen: Es wird und es kann Ihnen nicht gelingen! Ich behaupte nicht, dass Sie Kriege führen wollen. Aber das, was Sie wollen, Herr Kollege Khol, was Sie durch dieses Gesetz sicherstellen wollen (Abg. Dr. Khol  – eine Broschüre in die Höhe haltend –: Steht da drin!), ist die Beteiligung an Militärinterventionen ohne UN-Mandat. – Und das verbietet Ihnen das Neutralitätsgesetz! (Beifall bei der SPÖ.)

Was Sie auf diese Art und Weise auch sicherstellen wollen, ist, dass es – wie in einem NATO-Staat – den Truppenaufenthalt auch in Österreich in Zukunft geben soll. – Meine Damen und Herren, auch das verbietet Ihnen das Neutralitätsgesetz!

Die Neutralität lässt sich nicht nur politisch definieren. Die Neutralität ist ein zentrales Gesetz dieser Zweiten Republik. Der Schweizer Philosoph Burckhardt hat einmal gesagt: "Geschichte dient dazu, klüger für ein andermal und in seltenen Fällen weise für immer zu sein." (Abg. Großruck: Das gilt aber für alle!)

Österreich hat sich in den letzten 200, 300 Jahren an nahezu jedem Krieg auf diesem Kontinent beteiligt. Für die meisten Österreicher ist das Neutralitätsgesetz daher ein Bekenntnis des "Niemals wieder!": Niemals wieder zu versuchen, mit Waffengewalt politische Absichten durchzusetzen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite