Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 127

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Über die Frau Vizekanzlerin, die zu seiner Vertretung befugt wäre, haben wir gehört, dass sie sich im Ausland befindet und daher naturgemäß nicht erscheinen kann. Warum der Herr Bundeskanzler nicht erscheint, liegt offensichtlich völlig im Dunkeln.

Das ist umso bemerkenswerter, als wir heute über die massiven Versuche der Einschüchterung und die massiven Versuche der Kriminalisierung von Medienvertretern und von Abgeordneten der Opposition debattieren. Man möchte meinen, dass das dem Bundeskanzler wichtig genug wäre, darüber ausnahmsweise nicht zu schweigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte vorweg sagen, worum es heute nicht geht: Es geht nicht um das große Konvolut der Reform der Strafprozessordnung. Wir alle wissen, dass diese Frage schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten ansteht. Auch die Grünen haben schon vor sechs Jahren eine Enquete zu diesem Thema im Parlament abgehalten, veröffentlicht 1996 unter dem Titel "Reform des strafprozessualen Vorverfahrens". – Dass diesbezüglich ein Reformbedarf besteht, ist also unbestritten. Aber darum geht es heute nicht!

Das, worum es geht, ist, wie die Regierungsparteien zu grundlegenden Fragen des liberalen Rechtsstaates stehen und ob die Regierungsparteien bereit sind, an sich völlig selbstverständliche Bekenntnisse zu den Grundlagen des liberalen Rechtsstaates abzugeben, nämlich

erstens zum selbstverständlichen Recht auf freie Berichterstattung durch Zeitungen und andere Medien, zweitens zum selbstverständlichen Recht auf freie Meinung in diesem Land, drittens, Herr Westenthaler, zum selbstverständlichen Recht auf freie Meinungsäußerung in diesem Land – denn das ist ein wesentlicher Unterschied: ich darf nicht nur im stillen Kämmerchen meine Meinung haben, sondern sie auch öffentlich kundtun –, viertens zum selbstverständlichen Recht der Opposition, Kontrollaufgaben wahrzunehmen, und zum Recht, dass darüber berichtet wird (Abg. Ing. Westenthaler: Reden Sie über Österreich?) – jawohl, ich rede über Österreich, Herr Westenthaler! –, dass freie Medien der Öffentlichkeit die Ergebnisse dieser Tätigkeit mitteilen, und selbstverständlich zum Recht von Journalisten und Journalistinnen, selbständig zu recherchieren und über die Ergebnisse dieser Tätigkeit auch zu berichten.

Das nennt man außerhalb der österreichischen Staatsgrenzen investigativen Journalismus, Herr Westenthaler. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben etwas vergessen: das Recht, im ANA Grand Hotel zu frühstücken!)

Man möchte meinen, das sind Trivialitäten. Man möchte meinen, das sind "no na"-Sachen. Man möchte meinen: Worüber redet er? Das sind doch Selbstverständlichkeiten!

Selbstverständlichkeiten in Österreich? – Das sind sie leider keineswegs! Das sind keine Selbstverständlichkeiten, meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, Sie spreche ich ganz besonders an. Von der FPÖ sind wir nichts anderes gewöhnt, als wir derzeit erleben, aber bei Ihnen hatte ich noch nicht jede Hoffnung aufgegeben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt zum Anlassfall des heutigen Dringlichen Antrages. Im Herbst letzten Jahres war die Debatte über den so genannten Spitzelskandal voll entbrannt. (Abg. Böhacker: ... Rohrkrepierer!) Es gab den Verdacht, dass bestimmte FPÖ-Politiker in diesen Spitzelskandal verwickelt sind. (Abg. Böhacker: Das ist eine böswillige ...!)  – Sie haben gehört, was ich gesagt habe: Verdacht, Herr Kollege! (Abg. Böhacker: ... korrekt!) Damals hat ein maßgeblicher Vertreter der FPÖ gesagt, noch nie sei ein FPÖ-Politiker, ein FPÖ-Abgeordneter in einer diesbezüglichen Frage, also wegen Verwicklung in den Spitzelskandal, verurteilt worden, noch nie sei einem nachgewiesen worden, dass er in den Spitzelskandal verwickelt worden sei.

Daraufhin hat Kollege Pilz am 4. Oktober des Jahres 2000 eine Pressekonferenz gegeben und, meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, dort gesagt: Diese Behauptung ist falsch. Diese Behauptung ist unwahr. Es gibt einen FPÖ-Politiker, einen Abgeordneten zum Niederösterreichischen Landtag, der wegen einer illegalen EKIS-Abfrage, also illegal beschaffter Daten, von


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