Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 128

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einem Disziplinargericht rechtskräftig verurteilt worden ist, nämlich zu einer Geldstrafe. Das ist nachgewiesen!

Jetzt, acht Monate später, im Mai 2001, deutet zwar alles darauf hin, dass die Regierungsparteien, insbesondere die FPÖ, alles daransetzen, den Spitzelskandal zu vertuschen – unter anderem wurden die Erhebungen gegen Stadler und Haider eingestellt (Abg. Ing. Westenthaler: Das kann man gar nicht vertuschen, weil jeden Tag etwas eingestellt wird!)  –, aber, Herr Kollege Westenthaler, gegen die Aufdecker, gegen die kontrollierenden Politiker, gegen die Medienvertreter, die sich getraut haben, darüber auch nur zu berichten, gegen diese bloßen Berichterstatter, gegen diese wird durch die Staatsanwaltschaft beziehungsweise die zuständigen Behörden ein Strafverfahren nach § 301 des Strafgesetzbuches eingeleitet. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Das muss man sich einmal vorstellen: Nicht nur gegen Abgeordneten Pilz, der diese – nebenbei bemerkt: offensichtlich richtige – Tatsache damals kundgetan hat, wird ermittelt, sondern auch gegen jene Journalisten, die das auch noch berichtet haben. (Abg. Mag. Trattner: Kennen Sie den Strafrahmen, wenn man das ...geheimnis verletzt?) Und für die breitere Öffentlichkeit darf ich hinzufügen, dass dieser § 301 die Betroffenen mit sechs Monaten Haft beziehungsweise den entsprechenden Geldstrafen bedroht.

Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen! Ein Abgeordneter gibt eine Pressekonferenz, anwesende JournalistInnen berichten darüber – und dafür, dass sie, nämlich die JournalistInnen, ihre Pflicht erfüllen, steht ihnen jetzt die Drohung von sechs Monaten Gefängnis ins Haus. – Ein derart unverschämter Versuch der Einschüchterung und Kriminalisierung von Medienvertretern und Oppositionsabgeordneten ist mir in meiner Laufbahn als Politiker noch nicht untergekommen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Absicht dahinter ist eine durchsichtige: Zuerst bringt man die freie Berichterstattung um, und damit hat man gleichzeitig auch die Oppositionsarbeit erledigt. Was ist denn Oppositionsarbeit ohne Öffentlichkeit? Man muss sich einmal vorstellen, was das bedeutet, wenn dieses Beispiel Schule macht!

Meine Damen und Herren! Erst vor diesem Hintergrund ist verständlich, warum der mittlerweile berüchtigte § 56 Strafprozessordnung, der von Minister Böhmdorfer vorgestellte § 56, eine derartige Aufregung verursacht hat. Dieser § 56 bedroht das Zitieren aus Akten gerichtlicher Vorverfahren mit schweren Strafen. Unter "normalen Umständen" könnte man darüber durchaus diskutieren. Mit "normale Umstände" meine ich einen liberalen, fest fundierten Rechtsstaat und einen Justizminister mit hoher Reputation in diesem Bereich. In einer solchen Situation hätte das niemals zu dieser Aufregung geführt. Dann hätte man nämlich darüber diskutieren können: Jawohl, es gibt schutzwürdige Rechte Dritter, es gibt Probleme in diesem Zusammenhang, und man muss darauf achten, dass diese Informationen nicht missbräuchlich verwendet werden.

Wir haben aber keine "normalen Verhältnisse" in diesem Sinne! Wir haben sie seit dem letzten Jahr nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben sie spätestens seit jener berühmten Pressekonferenz von Jörg Haider und Minister Böhmdorfer nicht mehr, die genau vor einem Jahr stattfand und bei der es um die Frage ging, ob man oppositionelle Abgeordnete, die die Regierung kritisieren, nicht mit Hilfe des Strafrechts verfolgen könnte und sollte, was Minister Böhmdorfer in einer ersten Reaktion "eine verfolgenswerte Idee" nannte. (Abgeordnete der Freiheitlichen und der ÖVP stehen in Gruppen zwischen ihren Bänken und reden miteinander.)

Aber das war nicht das Einzige. Wir haben inzwischen ein breites Mosaik von Bausteinen des Versuchs ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Einen Moment, Kollege Van der Bellen! Wir haben Gott sei Dank genügend Sitzplätze hier im Haus, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Das ist ein Witz! – Abg. Edlinger: Die wollen ja nicht! – Abg. Mag. Kogler: Kollege Schweitzer! "Verhaltensvereinbarung"!)  – Bitte fortzusetzen!


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