Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen
(fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Wenn Sie mir die Sekunden zu meiner Redezeit addieren würden, wäre ich froh, falls ich sie noch brauchen sollte, was ich nicht hoffe.Unter normalen Umständen also könnte man über diesen § 56 diskutieren, aber diese "normalen Umstände" haben wir nicht. Wir haben unter anderem einen Justizminister Böhmdorfer, der zur Kritik betreffend § 56 in seinem Entwurf zur Strafprozessordnung nicht mehr sagt als – er hat mehr gesagt, aber das verschweige ich lieber; er sagt jedenfalls unter anderem Folgendes –: In Österreich brauchen wir keinen investigativen Journalismus!
Mit anderen Worten: In Österreich brauchen wir keine JournalistInnen, die von sich aus bemüht sind, Unzukömmlichkeiten oder sogar Skandale aufzudecken. Also warum soll man sie noch speziell schützen?
Herr Minister Böhmdorfer, ich empfehle Ihnen, die heutige Stellungnahme des Präsidenten der Journalistengewerkschaft dazu in der APA zu lesen, der unter anderem wörtlich sagt – ich zitiere –:
"Hinter der Aktion steckt ein politischer Wille, und der lautet: Die Medien sollen die Skandale, in die die FPÖ verwickelt ist, nicht mehr aufdecken." (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )
Herr Kollege Khol, ich wiederhole: "in die die FPÖ verwickelt ist"; Herr Khol, der Sie jetzt gerade den Kopf schütteln: Vorläufig jedenfalls nicht die ÖVP! – Und Sie decken das! (Abg. Ing. Westenthaler: Glauben Sie das auch alles?) Sie decken § 56 und § 301, wenn Sie anschließend unserem Antrag nicht zustimmen – und das muss ich befürchten. (Abg. Dr. Mertel: Das ist alles im "Verfassungsbogen"!) Das muss ich ernsthaft befürchten. (Abg. Ing. Westenthaler: Gut, dass Sie glauben, dass ...! – Abg. Dr. Khol: Ich halte das alles für nicht richtig!)
Herr Kollege Khol! Dieses Verfahren nach § 301 StGB, wenn es nun insbesondere gegen die Journalisten formal eingeleitet wird (Abg. Dr. Khol: Sie wissen genau, dass das alles nicht stimmt!), wird spätestens in Straßburg zu einem unrühmlichen Ende kommen – spätestens in Straßburg! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
§ 301 StGB widerspricht eindeutig der Menschenrechtskonvention; wenn Sie es genau wissen wollen: dem Artikel 10 der Menschenrechtskonvention. Und die Menschenrechtskonvention, Herr Kollege und – wenn ich nicht irre – Verfassungsjurist Khol, ist Teil der österreichischen Bundesverfassung! (Abg. Dr. Khol: Kennen Sie den Absatz 2?) – Wir werden anschließend darüber diskutieren! (Abg. Dr. Khol: Absatz 2 von Artikel 10?) – Ich kenne ihn. Ich kenne sogar den Bericht der "drei Weisen", in dem Artikel 10 eine ganz große Rolle einnimmt und Österreich vorgehalten wird. (Abg. Dr. Khol: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen! – Abg. Öllinger: Kollege Khol hat den "Verfassungsbogen" wieder einmal woanders aufgestellt!)
Dieses Verfahren ist insofern menschenrechtswidrig und verfassungswidrig! Und Österreich beziehungsweise die Bundesregierung wird sich spätestens in Straßburg mit diesem Verfahren blamieren. Aber wann? Wir alle wissen, wie lange es dauert, bis so ein Verfahren zu Ende geht. Dieser Trost ist zu schwach für die Grünen, für, wie ich annehme, die Sozialdemokraten, aber insbesondere für die betroffenen Journalistinnen und Journalisten.
Und daher, aus diesem Grund, stellen wir heute diesen Dringlichen Antrag, der in seinem Kern nichts anderes besagt als das: § 56 des Entwurfs zur Strafprozessordnung und § 301 des geltenden Strafgesetzbuches sind so zu ändern, dass eine missbräuchliche Verwendung gegen die Meinungsfreiheit, gegen die Meinungsäußerungsfreiheit, gegen den liberalen Rechtsstaat in diesem Lande nicht vorkommen kann. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )
Herr Kollege Khol! Wenn Sie diesem Antrag nicht zustimmen ... (Abg. Dr. Khol: Ich stimme ihm nicht zu!) – Sie stimmen ihm nicht zu! Ich bin gespannt auf Ihre Begründung. (Abg. Dr. Khol: Nach Ihrer Begründung erst recht nicht! Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen!) Ich bin wirklich