Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 133

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So einfach könnte der erste Schritt zur Wiederherstellung des Rechtsstaates in der Republik Österreich sein. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Rückfall insbesondere der ÖVP trägt zwei Zahlentitel: § 301 und § 56. Ich war mit ein Urheber, als ich mit diesem Disziplinarerkenntnis in der Hand am 4. Oktober eine Pressekonferenz veranstaltete, nur bin damals auch ich nicht auf die Idee gekommen, dass sich die Damen und Herren der Medien strafbar machen könnten, wenn sie, was halt ihre Arbeit ist, über diese Pressekonferenz berichten. – Und genau das ist passiert, aber nicht, weil ein Staatsanwalt handeln musste, sondern weil in der Wiener Strafjustiz eine Abwägung zu einem völlig neuen Ergebnis geführt hat.

Jahrzehnte hindurch ist § 301 StGB nicht zur Anwendung gekommen, weil – zu Recht! – ein verantwortlicher Jurist nach dem anderen gesagt hat: Nein, den judizieren wir nicht, da gibt es ein Problem mit den Menschenrechten! Man hat darauf gewartet, dass der Nationalrat tätig wird und eine Übereinstimmung mit den Menschenrechten herstellt. Das aber ist nicht passiert!

Die autoritäre Wende von Minister Böhmdorfer in der Justiz hat nun die Gelegenheit gegeben, diesen Paragraphen zu missbrauchen und ihn zur Unterdrückung und Aushöhlung der Menschen- und Bürgerrechte einzusetzen. Böhmdorfers Justiz hat keine Minute gezögert, nachdem die Verfahren gegen die Freiheitlichen niedergeschlagen waren, die neuen Verfahren gegen die Opposition und gegen die Vertreterinnen und Vertreter freier Medien zu beginnen. – An diesem Punkt sind wir angelangt.

Warum, Herr Staatssekretär, haben Sie dazu kein Wort gesagt? Warum haben Sie dazu kein Wort gesagt, dass heute schon wieder ein Polizeibeamter bei einer Journalistin war und sie als Zeugin vernehmen wollte, obwohl wir längst wissen, dass sie von der Staatsanwaltschaft Wien bereits als Beschuldigte angesehen und das Verfahren gegen sie vorbereitet wird? Sogar die Beschuldigtenrechte werden den Journalistinnen und Journalisten vorenthalten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Warum, Herr Staatssekretär, finden Sie als einer, der früher beruflich etwas mit der Freiheit der Kunst und damit mit einem Schlüsselbereich der Freiheit zu tun hatte, kein Wort dazu, dass Journalistinnen und Journalisten, die einfach ihre Arbeit getan und seriös berichtet haben, heute mit Freiheitsstrafen rechnen müssen, weil eine Justiz als Maulkorb und als Instrument der Unterdrückung und Einschüchterung missbraucht wird? Warum haben Sie keinen Satz darüber verloren? Ist Ihnen das egal – oder wiegt Ihre allgemeine Erklärung, die Morak-Garantie zur Sonntagsverkündigung der Menschen- und Presserechte, schwerer als das, was die Journalistinnen und Journalisten jetzt konkret bedroht?

Ich weiß nicht, wie mein Antrag auf Auslieferung und mein Begehren, von diesem Nationalrat ausgeliefert zu werden, morgen am Abend beschieden wird. Ich halte es nicht für fair – und ich werde deshalb versuchen, Sie zu überzeugen, mich auszuliefern –, ein Verfahren gegen Vertreterinnen und Vertreter freier Medien einfach von der parlamentarischen Bühne aus unter dem Schutz der Immunität zu beobachten und zu kommentieren. Ich halte es für richtig, dass wir uns dieser Auseinandersetzung stellen. Deswegen werde ich Sie – nicht heute, sondern morgen – um die Aufhebung meiner Immunität ersuchen.

Das wird aber das Problem nicht lösen. Das Problem heißt erstens, dass wir – und das ist neues Wissen; das Wissen darüber haben uns ein Justizminister Michalek und viele seiner Vorgänger nicht vermittelt, weil hier nichts zu befürchten war und weil hier mit gutem Grund nichts passiert ist – erst seit wenigen Monaten wissen, wie einzelne Paragraphen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung bei einem gezielten politischen Wollen, nämlich als Parteianwalt die Justiz so einzusetzen, dass maximaler Nutzen für die eigene Partei und maximaler Schaden für alle anderen herauskommt, ausgelegt werden können. Erst seit wenigen Monaten wissen wir, dass das möglich ist und dass es auch einen Minister gibt, der bereit ist, das zu tun. Seit einigen wenigen Monaten wissen die österreichischen Medien, wie unter der Ministerschaft Böhmdorfer der Begriff "kurzer Prozess" zu verstehen ist, was es bedeutet, wenn auf Zuruf freiheitlicher


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