Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 30

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Wir haben in den institutionellen Fragen, die natürlich die kritischsten gewesen sind, einen sehr guten Kompromiss sicherstellen können.

Erster Punkt: Wir haben erreicht, dass jeder Beschluss der Union in Hinkunft sowohl von der Mehrheit der Staaten (Abg. Dr. Pilz verteilt im Saal Unterlagen und legt eine solche auch auf den Platz des Bundeskanzlers)  – wenn Sie die Güte haben, das woanders hinzulegen, ich habe meine Unterlagen da – als auch von der Mehrheit der Bürger getragen werden soll. Das ist für mich jedenfalls ein Urprinzip der Demokratie, und das soll auch in der Europäischen Union gelebt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie kennen die ersten Vorschläge der französischen Präsidentschaft: acht Stimmen für Österreich und ein Direktorium quasi in der Kommission. (Abg. Mag. Schweitzer  auf den noch immer Unterlagen verteilenden Abg. Dr. Pilz weisend –: Den Pilz könnte man als Saaldiener einstellen!) Wir haben dann neun und am Ende sogar zehn Stimmen erreicht und haben damit bei einem Bevölkerungsanteil von 1,5 Prozent und einem Budgetanteil von 2,6 Prozent ein Stimmgewicht von über 4 Prozent bei den heutigen Fünfzehn. Ich glaube, mit diesem Ergebnis können wir ganz gut leben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben das Prinzip: Jedes Land muss in den Institutionen vertreten sein!, so gut es irgendwie ging, tatsächlich gesichert, und das wird eine sehr lange Zeit auch im Bereich der Kommission so sein. Erst ab dem Beitritt des 27. Mitgliedslandes ist ein neuer, aber auch dann einstimmiger Beschluss erforderlich. Wir haben uns also gewehrt gegen das Direktorium der Großen, genauso wie es etwa der luxemburgische Premierminister Juncker jetzt in diesen Tagen vor dem Parlament oder der belgische Premierminister Verhofstadt öffentlich vor wenigen Wochen gesagt hat. Ich stehe dazu, denn Europa muss auf der Balance Groß und Klein, südliche, zentraleuropäische und nördliche Staaten, West und Ost gebaut sein, und dies muss auf der Ebene der Gleichberechtigung und der Balance geschehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich ist in Nizza aber noch etwas hochinteressant, denn wir haben zum ersten Mal jetzt ein rechtliches Verfahren bei den Fragen, die uns voriges Jahr massiv betroffen gemacht haben, nämlich die Sanktionen gegen Österreich, und wie wichtig das ist, sieht man ja jetzt gerade bei der italienischen Diskussion. Kein Mensch kommt heute mehr auf die Idee, willkürlich Sanktionen gegen ein wichtiges Mitgliedsland zu verhängen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Für Bossi kommt das zu spät!) Alle berufen sich jetzt – zu Recht, sage ich – auf jenes Verfahren, das wir gemeinsam mit den Belgiern interessanterweise – oder überraschenderweise – vorgeschlagen haben und das dann rechtlich einwandfrei mit Kontrollen bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof, mit Befassung der Parlamente, der Nationalparlamente und des Europäischen Parlaments, abgewickelt wird. Ich finde das gut, und es ist sehr, sehr wichtig, damit es nie wieder so etwas geben kann, was im Fall Österreich geschehen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weiters wurde in Nizza der Startschuss für eine Diskussion gegeben: die Zukunft Europas. Zunächst einmal die Vorgangsweise – und ich sage das hier auch sehr offen; es ist zum ersten Mal, dass ich das formell als Regierungschef sage –: Ich glaube, dass wir ein offenes System wählen sollen. In der ersten Phase, nachdem das Mandat definiert ist – das wird in Laaken unter belgischer Präsidentschaft der Fall sein –, sollte ein offenes Konvent-Modell gemacht werden, wo möglichst viele, seien es Vertreter der Regierungen, der nationalen Parlamente, des Europäischen Parlaments, aber auch Wissenschafter, Juristen, Völkerrechtler, mit eingebunden werden sollen.

Ein solches Konvent-Modell hat den riesigen Vorteil, dass es tatsächlich zu einer breiten Befassung der Öffentlichkeit kommen kann. Ich möchte nicht haben, dass die Diskussion, die wichtige Diskussion um die Zukunft Europas hinter verschlossenen Türen stattfindet. Hier braucht es eine breite demokratische Beteiligung. Das wird die österreichische Position sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zugleich muss aber dieser Konvent anders arbeiten als in der Grundrechtscharta, denn eines wird nicht gehen: dass man quasi ein "Take it or leave it" macht: Ein Text wird vorbereitet und


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