Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 39

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In der Frage der Stimmgewichtung wurde nach einem zähen Ringen der Grundsatz nicht angetastet, dass kleinere und mittlere Staaten ein relativ stärkeres Gewicht haben als die großen. Auch das war lange Zeit umstritten – es ist durchgesetzt worden!

Im Rahmen der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen anstelle des Einstimmigkeitsprinzips ist es aber in den für Österreich so entscheidenden Fragen bei Einstimmigkeit geblieben: Die Frage der Wasserressourcen, der Bodennutzung, der Raumordnung im Zusammenhang mit Umweltschutz – all das bleibt einstimmig! Das durchzusetzen war, glaube ich, das Meisterstück der österreichischen Bundesregierung und ihrer Vertreter in Nizza. Eine weitreichende Entscheidung für uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte auch noch einmal auf die Arbeit dieses Hauses im Zusammenhang mit Nizza verweisen. Die Mitglieder des Hauptausschusses haben ein so genanntes Feuerwehrkomitee gebildet, das diesen schwierigen Verhandlungsprozess ständig begleitet hat, wie etwa durch regelmäßige Telefonkontakte nach Nizza. Aber (Abg. Mag. Schweitzer: Einem fehlte!), meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern: Einer hat gefehlt: Einem hat gefehlt, die SPÖ hat gefehlt in diesem Prozess! Möglicherweise ist das auch der Grund dafür, dass sie sich mit den europapolitischen Fragen eigentlich nicht in dem gewünschten Ausmaß auseinander setzt. Schade! Sie hätten mitwirken können, an diesem Erfolg teilhaben können, so aber ist der Erfolg unser Erfolg geblieben. Wir freuen uns trotzdem darüber! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Ergebnis der Verhandlungen von Nizza ist ein für Österreich und für die österreichische Bundesregierung sehr positives gewesen. Unsere Interessen sind zum Durchbruch gekommen, und ich möchte an dieser Stelle durchaus stolz darauf verweisen, dass das auch ein wesentlicher Erfolg des Bundeskanzlers, seiner Verhandlungstaktik und seines Durchsetzungsvermögens gewesen ist, und ich bedanke mich ausdrücklich namens meiner Fraktion bei Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Geschätzte Damen und Herren! Umso erstaunter ist man, wenn man die Rolle der Sozialdemokraten in diesem Prozess der letzten Tage Revue passieren lässt. Während am 11. Dezember noch ein sehr prominenter Sozialdemokrat ein bemerkenswertes Zitat als Reaktion auf die Erfolge des Nizza-Prozesses von sich gegeben hat – er hat gesagt, es sei in der langen Nacht beim Gipfel offenbar gelungen, die Position der "Kleinen" in Rat und Parlament zu stärken; derjenige, der das gesagt hat, heißt Caspar Einem und ist heute auch Redner in dieser Debatte –, ist derselbe Caspar Einem fünf Monate später, am 3. Mai dieses Jahres, zu dem Ergebnis gekommen, dass er große Bedenken gegen die Ratifikation des Vertrages von Nizza hat. Er und sein Parteivorsitzender knüpfen nunmehr Bedingungen an die Ratifikation des Vertrages von Nizza.

Es ist erstaunlich, würde ich meinen, aber nicht nur erstaunlich, meine Damen und Herren, sondern auch verwunderlich, dass die SPÖ, die in europapolitischen Fragen bisher immer Linie gezeigt hat, Bedingungen an eine Ratifikation knüpfen will. Es gehört wohl zum juristischen Einmaleins, zu wissen, dass bei einer Ratifikation nur ja oder nein gesagt werden kann. Bedingungen zu stellen ist in einem Ratifikationsprozess nicht möglich. Daher meine ich schon, dass Kollege Gusenbauer dazu heute ein Wort hätte sagen können, zumal er das am 3. Mai in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Kollegem Einem so ausgesprochen hat: Ratifikation nur unter Bedingungen! – Verwunderlich, dass offenbar auch das juristische Einmaleins dieser Partei verloren gegangen ist.

Es ist aber auch erschreckend, wenn man eins und eins zusammenzählt und sich überlegt: Was verbirgt sich denn hinter dieser Rolle der SPÖ neu, geschätzte Damen und Herren? Erinnern wir uns nur an die internen Kämpfe in dieser Partei! Da gibt es einen Arbeiterkammer-Präsidenten Tumpel, der der Erweiterung generell sehr reserviert gegenübersteht. Da gibt es einen ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch, dem die jetzt durchaus angemessen erscheinenden Übergangsfristen bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von sieben Jahren zu wenig sind. – Ist das bereits der Vorgriff darauf, meine Damen und Herren, dass die SPÖ einen Salto rückwärts in jene Zeit versucht, als sie noch gegen Europa war?


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