Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 59

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Herr Präsident Verzetnitsch! Ich verstehe die Sorgen der Arbeitnehmervertreter – gar keine Frage –, nur glaube ich, dass wir das offensiv sehen müssen. Die Haltung, die ich aus ÖGB und Arbeiterkammer kenne – ich weiß nicht, ob das der aktuelle Stand ist; von der Arbeiterkammer glaube ich, dass er es ist –, lautet: Erst wenn dort 80 Prozent unseres Lohnniveaus erreicht sein werden, dürfen sie beitreten.

Ich glaube, das ist eine falsche Haltung, Herr Präsident Verzetnitsch. Meiner Ansicht nach würde das bedeuten, dass wir die Erweiterung Europas auf viele Jahre hinaus blockieren. Wir haben auch heute in der Europäischen Union größere Lohnunterschiede als nur solche im Ausmaß von 20 Prozent. Man muss so ehrlich sein, dies anzuerkennen. Machen wir keine Blockadepolitik, sondern entwickeln wir Europa weiter, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich plädiere hier für flexible Übergangsfristen. Wir sehen heute in weiten Bereichen unserer Wirtschaft – ich könnte Ihnen Briefe zeigen, in denen mir täglich darüber geschrieben wird –, dass Betriebe keine geeigneten Arbeitskräfte bekommen. Das sind nicht unbedingt IT-Fachkräfte, sondern das zieht sich durch alle Branchen. Das reicht von der Fachkraft fast bis hinunter zum Hilfsarbeiter. Ich denke, wenn wir Chancen haben, notwendige Arbeitskräfte zu bekommen, dann sollten wir diese Chancen nützen.

Kollege Einem – er hat uns schon verlassen – hat von den Saisonniers als billigen Arbeitskräften gesprochen. Meine Damen und Herren, das ist eine verzerrte Darstellung. Für die Saisonniers gelten – Herr Präsident Verzetnitsch, Sie wissen das – genauso wie für jeden Österreicher unsere arbeitsrechtlichen, kollektivvertraglichen Regelungen. Das sind keine billigen Arbeitskräfte, sondern sie sind genauso teuer, und sie sind für unseren Tourismus notwendig, meine Damen und Herren! Der Tourismus braucht diese Arbeitskräfte, wenn er sich entsprechend weiterentwickeln soll. Lassen Sie das Argument mit den Billigarbeitskräften bei den Saisonniers fallen, das ist keine ehrliche Diskussion. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auf einen zweiten großen Komplex möchte ich wieder als Mandatar einer Grenzregion aufmerksam machen. Wenn sich Europa erweitert und wenn wir dort Regionen haben, die jahrzehntelang mit dem Rücken zum Eisernen Vorhang standen, heißt das selbstverständlich, dass gewisse infrastrukturelle Einrichtungen – etwa im Bereich der Verkehrsinfrastruktur – jetzt völlig neu ausgelegt werden müssen. Es macht einen Unterschied, ob ich über Jahrzehnte an einer toten Grenze gelebt habe oder ob ich jetzt im Herzen Europas bin. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Sie werden aber nicht ausgelegt!) Das bedeutet Infrastrukturinvestitionen, Herr Kollege Bauer, als Abgeordneter des Weinviertels wissen Sie das. Wir werden uns hier mit Ihnen zusammensetzen, wir brauchen einen Konsens. Ich bin gerne bereit, auch auf Mandatarsebene – genauso wie der Bundeskanzler zum Oppositionsführer – das Gespräch zu suchen. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Aber es wird nicht darauf reagiert!) Meine Damen und Herren, wir brauchen hier den Konsens, und wir wollen ihn auch. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Hannes Bauer: 2 500 ...!)

Ich meine, Herr Kollege, wir beide als Abgeordnete aus Grenzregionen sollten hier nicht in Zwischenrufen miteinander verkehren. Wir sollten uns zusammensetzen und gemeinsam Strategien und Konzepte ausarbeiten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren: Ich bin sehr froh, Herr Bundeskanzler, dass es gelungen ist, entsprechende Grenzland-Förderungskonzepte der Europäischen Union zu erstellen. Ich denke, wir müssen davon auch Gebrauch machen. Wir haben hier in der Tat eine Situation, dass viele Betriebe und viele Arbeitnehmer in den Grenzregionen auch die Sorge haben: Wie wird es sein, wenn diese neuen Kandidaten Mitglieder sein werden? – Wir müssen in den nächsten Jahren versuchen, auf Basis dieser Grenzland-Förderungsprogramme jene Projekte zu fördern, die diesen Grenzregionen eine ehrliche Chance geben, in Zukunft im Wettbewerb mit den neuen Kandidaten zu bestehen. (Abg. Dr. Wittmann: Sagen Sie das der Minister Forstinger!)


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