Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 60

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Meine Damen und Herren! Bei all den wirtschaftlichen Aspekten, die ich hier als Vertreter der Wirtschaft vorgebracht habe, vergesse ich jedoch nie, dass die Grundidee der Europäischen Union eine Friedensidee ist. Ich glaube, zu dem friedenspolitischen Konzept müssen wir auch unter diesem Aspekt ja sagen, wenn sich Europa in Richtung Osten erweitert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

12.20

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur ein Wort zu meinem Vorredner, ohne daraus einen Gegensatz größerer Art konstruieren zu wollen – hier werden wir ja darüber reden können –: Ich kann die Argumente des ÖGB und der Arbeiterkammer nicht so leicht wie Sie mit einem Satz wegwischen. Es stehen tatsächlich Besorgnisse dahinter.

Hiezu gibt es Studien – ich erinnere an jene der Dresdner Bank als jüngste Studie –, die nicht einfach vom Tisch gewischt werden dürfen. Der ÖGB vertritt hier so wie die Arbeiterkammer seine Mitglieder, so wie auch wir die Interessen der Österreicher vertreten wollen. Das kann man nicht vom Tisch wischen, aber ich glaube, man wird mit dem ÖGB und der Arbeiterkammer reden können. Diese 80 Prozent des österreichischen Durchschnitts sind eine sehr, sehr hohe Annahme, aber Sie alle wissen, dass man mit höheren Annahmen in Verhandlungen geht und nicht gleich von vornherein mit den niedrigeren.

Einfach beiseite schieben kann man diese Argumente nicht, schon gar nicht dann, wenn man immer wieder diese Sprünge in der Argumentation sieht: Einerseits wird gesagt, wir brauchen dringend Arbeitskräfte, andererseits wird wieder der Abschwung der Wirtschaft an die Wand gemalt. Und was machen Sie dann mit diesen Arbeitskräften, wenn der Abschwung in der Wirtschaft da ist? – Wir können diese dann auch nicht einfach wegschicken. Auch das wäre nicht gerade der menschliche Weg.

Nun aber zurück zum Hauptthema im gesamten Nizza-Prozess. Was jetzt? – Das ist eine Frage, auf die es viele Antworten gibt, die jeweils vom Standpunkt und von den Erwartungen abhängen, die man sich gesetzt hat. Gleich vorweg: Unsere Erwartungen – wir haben sie bewusst nicht zu hoch geschraubt – wurden in diesem Prozess erfüllt. Wir haben, wie ich glaube, einen sehr guten Modus mit der ÖVP gefunden, wie wir uns hier gegenseitig in der entscheidenden letzten Phase abstimmen können. Auch die SPÖ war eingeladen, daran teilzunehmen, hat das zum Teil wahrgenommen, aber in der entscheidenden Phase, so haben wir gehört, war Kollege Einem nicht erreichbar.

Wie hat es ausgeschaut? – Da gab es zunächst die Euro-Utopisten, die sich Lösungen in utopischer Weise für alle Fragen erwartet haben, die sich seit Amsterdam, Köln, Helsinki und so weiter aufgestaut haben, nämlich bezüglich aller Hindernisse für eine rasche Erweiterung und besonders bezüglich der ganzen Lösung der institutionellen Fragen. Diese wurden ebenso enttäuscht wie die Euro-Puristen, die geglaubt haben, dass hier eine enorme Steigerung der Rechte des Europäischen Parlaments und vor allem der Kommission herauskommen würde und die Veto-Möglichkeiten massiv beschnitten würden. Das ist – Gott sei Dank, muss ich sagen – nicht eingetreten. Letztlich gab es noch jene, die sich zu schnell das Durchdrücken einer Europäischen Charta erwartet haben; auch sie waren enttäuscht.

Dann gab es die Großen in der Union. Der deutsche Kanzler hat damals schon vollmundig seine weitgesteckten Ziele verkündet, wie weniger Beitragsleistung und eine massive Stärkung des deutschen Stimmgewichtes. Das ist beides nicht eingetreten. Seine französischen Freunde haben ihm da einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Für diese Kreise wurde der Gipfel ein Misserfolg. Man wollte zu viel zu schnell erreichen und die zunehmend skeptischer werdenden Bürger einfach überfahren. Bezüglich Euro war man damit in einem gewissen Ausmaß erfolgreich, und man versteht heute nicht, warum die Bürger dem


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