Parlament eigentlich alle entsprechenden Unterlagen zur Verfügung hat, um nach einer ersten Lesung auch quasi in diesen Meinungsbildungsprozess eintreten zu können.
Nun habe ich diese Angelegenheit im ersten Augenblick von der Dimension her noch gar nicht als so gewaltig eingeschätzt, denn es kann schon einmal vorkommen, dass nicht alles vorliegt. Und es ist auch tatsächlich schon vorgekommen, dass sich der Nationalrat eine Meinung bilden sollte und nicht alle entscheidenden Grundlagen dafür hatte.
Aber, Herr Bundeskanzler – wir von der grünen Fraktion haben das ja schon mit Ihnen diskutiert –, was mir im Zusammenhang mit dieser Frage betreffend den in diesem Klammerausdruck auf Seite 51 der Regierungsvorlage angeführten "Bericht des Vorsitzes mit Anlagen", der dem Nationalrat, zumindest der grünen Fraktion, nicht vorliegt, sehr – erlauben Sie mir, dieses Urteil so zu formulieren – seltsam vorkommt, ist der Umstand, dass sich das gerade auf ein Kapitel bezieht, bei dem es um die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik geht, ein Thema, das vielleicht in einem Land wie Deutschland oder Frankreich nicht jene Dimension hat – auch nicht auf parlamentarischer Ebene – wie in Österreich, weil es dabei nämlich um die essentiellen Fragen der österreichischen Neutralitätspolitik geht.
Gerade zu dieser Frage, bei der es um die Beurteilung geht, wie sich das auch alles entwickelt, gibt es einen "Bericht des Vorsitzes mit Anlagen", der auch eine Entscheidungsgrundlage darstellt, im Parlament nicht. Er wurde auch nicht gemäß Artikel 23e B-VG dem Parlament zugeleitet.
Dafür gibt es für mich als Abgeordnete eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder die Regierung, die Regierungsvertreter oder die mit der Vorbereitung dieses Aktes Befassten machen das bewusst, wissentlich, willentlich und halten Unterlagen, die zur Verfügung stehen und die es gibt, zurück und verweigern damit sozusagen dem Parlament – in diesem Fall kann ich mich nur auf die Opposition beziehen, denn die Regierungsparteien haben ja auch andere Informationsmöglichkeiten – Einsichtnahme und Kenntnis. – Das ist die eine Interpretation, die nicht ganz unplausibel ist, wenn wir wissen, wie heikel die Fragen in der Neutralitätsdiskussion sind.
Die andere Möglichkeit ist, dass die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung bei ihren diversen Teilnahmen an europäischen Veranstaltungen, wie etwa Ministerräten, die Unterlagen jeweils gar nicht so genau vorliegen haben oder sie gar nicht so genau studiert haben oder dass sie, wie der Herr Verteidigungsminister, der hinter mir sitzt, der seit Nizza ... (Abg. Schwarzenberger: Nein, der Bundeskanzler sitzt hinter Ihnen!) – Ach, jetzt ist er gerade weg, aber eben vorher ist er noch da gesessen. Herr Bundeskanzler, Ihre Anwesenheit hier ist mir aber noch viel wesentlicher (Abg. Auer: Das ist schön, dass Sie das zu schätzen wissen!), denn der Herr Verteidigungsminister untersteht ja in gewisser Hinsicht auch Ihnen. Sie müssen alles wissen, denn Sie sind im Wesentlichen derjenige, der im Ministerrat vertreten ist.
Es könnte also auch so sein, dass er das selbst gar nicht kennt, was dieser "Bericht des Vorsitzes mit Anlagen" darstellt. Dann frage ich mich aber: Was tut er dort bei den Ministerräten und auch in Nizza, wo Österreich ja, wie wir heute schon "blumenreich" gehört haben, alles bestimmt hat und alle Interessen durchgesetzt hat und wo doch in diesem Vertrag quasi die österreichische Handschrift erkennbar ist?
Irgendwie passt das alles nicht zusammen, Herr Bundeskanzler, denn es gibt nur diese zwei Möglichkeiten: Entweder Sie sind nicht informiert – jetzt meine ich nicht Sie persönlich, sondern Sie als Regierung –, dann kann auch das Parlament nicht informiert sein; oder Sie sind informiert und halten diese Informationen mit Absicht und wissentlich zurück. – Nur diese zwei Erklärungen kann es geben. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )
Das sei nur kurz angemerkt, damit man ein bisschen ein Bild davon bekommt, wie Meinungsbildung und Diskussionsprozesse auf parlamentarischer Ebene organisiert sind und auch davon, wie in diesem Prozess der Meinungsbildung die Möglichkeiten der Opposition aussehen – die nicht in Ministerräten vertreten ist, die nicht den Zugang zu all diesen Unterlagen hat, den die