Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 140

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Kern des Problems ist wohl das Kurdenproblem. Die Kurden sind keine kleine Volksgruppe und keine Minderheit, die zahlenmäßig nicht ins Gewicht fiele. Ich weiß nicht, wie viele Millionen es sind, aber es dürften 15 oder 18 oder mehr Millionen insgesamt sein, und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hätten die Siegermächte – die Türkei hat damals bekanntlich zu den Verlierern gezählt – die Chance gehabt, auch den Kurden wie anderen einen Staat aus dem Bereich der ehemaligen Türkei zukommen zu lassen.

Man hat aber nach guter alter britischer Tradition genau das nicht gemacht. Die Engländer und die Franzosen haben sich die Teile als Kolonien genommen, die sie gerne haben wollten: die Franzosen Syrien und den Irak, sofern ich es richtig weiß – wir werden Historiker da haben –, die Engländer Transjordanien, wie das damals geheißen hat, und Palästina, und den einzigen Tiefseehafen haben sich die Engländer auch noch genommen, und zwar hat er Kuwait geheißen. Man hat darauf geachtet, dass man die militanten Kurden, ein Bergvolk, das sich zu wehren gewusst hat, auf möglichst viele Staaten verteilt, in der sicheren Annahme – und die Rechnung ist bis heute aufgegangen –, dass es da nie Ruhe, immer Schwierigkeiten und immer einen Wirbel geben wird. Daher gibt es heute Kurden in Syrien und im Irak, in der Türkei und im Iran und in anderen Ländern auch noch. – So viel zur Geschichte.

Darüber hinaus ist die Doppelzüngigkeit, die in diesem Zusammenhang auch heute noch an den Tag gelegt wird, bemerkenswert. Ein Teil der Kurden lebt im Irak. Nach dem Sieg der Amerikaner und ihrer Verbündeten im Kuwait-Krieg ist eine Grenze innerhalb des Irak gezogen worden. Man hat gesagt, nördlich sind die Kurden, und zum Schutze der Kurden darf kein irakisches Flugzeug diese Linie überfliegen. Gleichzeitig sind dieselben Kurden von den Türken mit massiver Unterstützung der Amerikaner vom Norden her niedergebombt worden, bis zum Allerletzten.

Also diese Dinge muss man sich vor Augen halten: Das sind nicht die Türken allein – ich will das nicht beschönigen –, es ist vor allem die Unterstützung durch eine Reihe von Mächten, in erster Linie durch die US-Amerikaner, die in diesem Zusammenhang sehr auffällig ist.

Auch bei mir ist die Delegation gewesen, die sich über die Zustände vor allem in den Gefängnissen beschwert hat. Ich schicke voraus, ich möchte nirgends auf der Welt in einem Gefängnis sein, sicherlich auch – wenn Sie verstehen, wie ich das meine – nicht in der Türkei, aber diejenigen Punkte, die diese bemühten Damen und Herren an uns herangetragen haben, haben jemanden, der mit dem österreichischen Gefängniswesen lange auch beruflich zu tun gehabt hat und noch immer zu tun hat, in gewissem Sinne nur wundern können.

In Österreich ist man bemüht, kleine Zellen, die sauber sind, die ausgeleuchtet sind, zu schaffen. Wir haben uns gefreut, als es vor einem Jahrzehnt oder vor längerer Zeit gelungen ist, die letzte Großzelle in Österreich – 50 Personen in einer Zelle – im landesgerichtlichen Gefangenenhaus in Klagenfurt zu eliminieren und durch kleine Zellenräume zu ersetzen. Ein moderner Strafvollzug und eine moderne Anhaltung sind gekennzeichnet durch kleine Räume, in denen die Leute auch allein sein können, in denen ein, zwei, drei, vielleicht vier Leute sind.

Ich weiß schon, dass in der Türkei die Uhren anders gehen, dass die Türkei nicht die Schweiz ist und auch nicht Österreich, aber wenn geklagt wird, dass die Häftlinge jetzt nicht mehr in der 100-Mann-Zelle sind, dass sie jetzt alle in Zellen zu ein, zwei, drei Personen sind, so ist das an und für sich noch nichts, was einem als negativ auffallen könnte. Das gilt auch, wenn einem gesagt wird, dass alle Zellen weiß ausgemalt sind – ich weiß nicht, wie die anderen waren – und dass das belastend und blendend ist und dass die Verhandlung rasch kommt, wenn man sich in Haft befindet. Ich habe dazu geschwiegen. Ich würde es mir in Österreich manchmal wünschen, dass es so geschähe.

Zum Fasten dort sei gesagt: Viele hundert Menschen fasten, und einige befinden sich auf dem Weg des Todesfastens. Es ist so, dass das eine Form des Selbstmordes ist und man wahrscheinlich jedem Menschen das Recht zubilligen muss, sich selber, auf welche Weise immer, umzubringen. Aber einer meiner Gesprächspartner hat damals erklärt: Sorgen Sie doch mit dafür, dass der Sohn dieser Frau, der todesfastet, nicht sterben muss! Da habe ich gesagt: In


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