Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 65

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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.24

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Hohes Haus! Seit zweieinhalb Stunden hören wir die Erklärungen zum familienfreundlichen Österreich. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Meiner Meinung nach gehört schon eine riesige Portion Anmaßung dazu, eine derartige Selbstbeweihräucherung durchzuführen.

Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Worauf sind Sie denn eigentlich stolz? (Abg. Neudeck: Jetzt haben Sie es zwei Stunden gehört und noch immer nicht kapiert!) 16 Monate lang sind Sie im Amt, und seit 16 Monaten kassieren Sie bei den Menschen, bei den Familien in Österreich ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht in Wirklichkeit um eine massive Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerhaushalte. Sie täuschen die Menschen, aber darin sind Sie wahre Meister. Deshalb wenden Sie auch so viele Millionen, Hunderte von Millionen für Ihre Regierungspropaganda auf. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie stellen sich her und preisen landauf, landab dieses Kinderbetreuungsgeld, mit dem Österreich plötzlich familienfreundlicher werden soll, während Sie, seit Sie im Amt sind, den Familien das Geld aus der Tasche ziehen: den Arbeitnehmern, den Arbeitnehmerinnen, den Kranken, den älteren Menschen und vor allem der Jugend – das ist die größte Sünde, die Sie begehen –, denn Sie kürzen bei den Ausgaben für die Bildung. 40 Milliarden Schilling haben Sie auf diese Art und Weise eingetrieben. Schritt für Schritt, Schlag auf Schlag haben Sie Belastungen erfunden: die Unfallrentenbesteuerung, die Erhöhung der Ambulanzgebühren und Rezeptgebühren, die Streichung der Mitversicherung und so weiter und so fort. Sie haben also das Geld zusammengekratzt.

Im Jahre 2002 – wir dürfen ja nicht vergessen, dass 2003 ein Wahljahr ist! – wollen Sie dann beginnen, Geld zu verteilen, und zwar undifferenziert, ohne soziale Überlegungen, nach dem Gießkannenprinzip, und Sie rechnen dabei mit der Vergesslichkeit der Bürger und Bürgerinnen. Sie sagen, das Zeitalter der Familien bricht jetzt an, weil Blau-Schwarz ihre Ideologie durchsetzen.

Frau Haller, weil Sie so viel zitiert haben und von der Zustimmung des Katholischen Familienverbandes gesprochen haben, erinnere ich Sie daran, welche Worte die Katholische Aktion für Ihre familienpolitische Idee gefunden hat. "Eingeleitete Fehlgeburt" hat die Katholische Aktion das genannt.

Die Vizekanzlerin hat gesagt, dass der Stellenwert der Familie bis jetzt gering gewesen sei. – Frau Vizekanzlerin! Die Sozialdemokratie hat jahrzehntelang eine arbeitnehmerorientierte Familienpolitik verfolgt und sie auch umgesetzt. Die Sozialdemokratie, die Gewerkschafter, die Arbeiterkammer waren es, die für ein Karenzgeld gekämpft haben und es auch erreicht haben, für Karenzzeit gekämpft haben und sie erreicht haben, auch das Wochengeld und die beitragsfreie Mitversicherung für Kinder und Angehörige. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sozialdemokraten haben in der Alleinregierung und auch danach, denn die ÖVP war ja bekanntlich "nicht dabei", ein international vorbildliches Familienförderungssystem aufgebaut. Doch Sie haben die Stirn, Sie haben die Arroganz, Herr Bundeskanzler – Sie waren ja "nie dabei" –, sich hier herzustellen und zu sagen: Erst durch die blau-schwarze Koalition wird Österreich familienfreundlich, bricht das Zeitalter der Familie aus. (Abg. Haller: Sie haben das Karenzgeld um ein halbes Jahr gekürzt!)

Sozialdemokratische Bundeskanzler, sozialdemokratische Familienminister haben den Stellenwert dieser Familienpolitik bestimmt. (Beifall bei der SPÖ.) 340 Milliarden Schilling wurden in Österreich für Familienleistungen ausgegeben. Das steht im Familienbericht. 17 Milliarden


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