Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 111

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

schenrufe bei den Freiheitlichen.) Alles, was im Verdacht steht, den blau-schwarzen Machthabern nicht automatisch zu parieren, muss ausgeräuchert und gesäubert werden. Alles, was im Verdacht steht, blau-schwarze Wünsche nicht schon in vorauseilendem Gehorsam zu erfüllen, muss entfernt, gesäubert und ausgeräuchert werden. (Abg. Böhacker: "Ausgeräuchert", das sind die Worte eines Professors? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Folge, meine Damen und Herren, ist nicht die versprochene Entpolitisierung, sondern – ganz im Gegenteil! –: die totale Politisierung öffentlicher Institutionen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Das erreichen Sie mit Ihrer Politik, und dafür tragen Sie, Herr Bundeskanzler, die Verantwortung – und nicht allein Ihr Koalitionspartner FPÖ!

Schauen wir uns doch zum Beispiel einmal an, was in einer der wichtigsten Institutionen unseres Landes, nämlich im ORF, vor sich geht, und fragen wir uns zuerst einmal, wie das Verhältnis zwischen Politikern, Herr Gaugg, wie Ihnen oder mir, und Journalistinnen und Journalisten normalerweise ausschauen sollte. (Abg. Gaugg: Korrekt, Herr Professor!) – Korrekt sollte es ausschauen, ja.

Politiker und Journalisten sollten nun einmal akzeptieren, dass sie aufeinander angewiesen sind – und das in einem merkwürdigen, nicht unkomplizierten Verhältnis. Politiker wollen ihre so genannte Botschaft loswerden. Das, was sie vertreten, soll vom Volk registriert werden – und dafür brauchen sie eben Transportmittel: Zeitungen, Printmedien und so weiter.

JournalistInnen auf der anderen Seite müssen bewerten, prüfen, einschätzen, auswählen, kürzen, nicht zuletzt kürzen – im Printmedium aus Platzmangel, im ORF aus Zeitmangel. Das sind wichtige und wesentliche Aufgaben, und naturgemäß stoßen diese Bewertungen, Kürzungen, Einschätzungen nicht immer auf die Zustimmung des betroffenen Politikers – das ist klar –, aber in einer normalen, stabilen, gefestigten Demokratie kann man davon ausgehen, dass die Politikerinnen und Politiker diese komplizierte, etwas widersprüchliche Situation verstehen und den JournalistInnen mit Respekt und Verständnis für ihre Tätigkeit begegnen (Beifall bei den Grünen), dass ein automatisches Verständnis für die Bedeutung von Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit in einem Land besteht und dass man versteht, dass nur dann der Wähler oder die Wählerin, der so genannte Souverän, bei einer Wahl seine oder ihre Entscheidung entsprechend treffen kann, wenn vorher diese Informationsfreiheit gegeben ist. So ist das in einer normalen, stabilen, gefestigten Demokratie.

Autoritäre Politiker halten diesen Widerspruch der Interessen, diesen möglichen Konflikt zwischen JournalistInnen und Politikern natürlich nicht aus. Autoritäre Politiker halten das nicht aus, autoritäre Politiker wollen vom Objekt der Berichterstattung zum Subjekt der Berichterstattung werden. Sie wollen das selbst bestimmen, was in der Zeitung steht, was in "ZiB 1" berichtet wird, was in "ZiB 2" oder in "ZiB 3" berichtet wird. Was wann wo wie berichtet wird, das will der autoritäre Politiker selbst bestimmen. Und einen Musterfall dieser Spezies haben wir hier im Haus. (Abg. Brosz: Jetzt gerade nicht!) Jetzt gerade nicht, das ist richtig. (Abg. Mag. Kogler: Der Westenthaler ist getürmt! Wahrscheinlich interveniert er gerade!) Irgendwo im Haus wird er vielleicht sein, der Herr Kollege Westenthaler, Klubobmann der FPÖ. Er ist der Prototyp eines Politikers, der dieses autoritäre Verständnis vom Umgang mit Medien, mit Journalisten und Journalistinnen hat. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das Ideal des Herrn Westenthaler ist offensichtlich Folgendes: Der ORF-Reporter kommt, die Tontechniker sind da, das Mikrophon wird aufgedreht, und die Reporterin sagt: Sprechen Sie jetzt! Und das Ganze wird eins zu eins gesendet, egal, wozu geredet wird, egal, in welcher Länge. Völlig gleichgültig! Westenthaler bestimmt, was wichtig ist und was nicht. Das ist seine Idealvorstellung. Und dafür kämpft er ganz offen – das ist ihm ja in gewisser Weise sogar positiv zuzurechnen –, ganz offen, mit allen Mitteln.

Deswegen die täglichen Interventionen, deswegen die Beschimpfungen von Journalisten und Journalistinnen, deswegen das Nichtzurückschrecken vor dem Versuch der persönlichen Diffamierung, vor dem Versuch, persönliche Daten in die Öffentlichkeit zu tragen. Das hat es, meine Damen und Herren, in der Vergangenheit in dieser Form nicht gegeben. Das ist tatsächlich "neu


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite