Sie werden, Herr Bundeskanzler, aber damit nicht durchkommen. (Abg. Murauer: Das ist ja wirklich interessant, dass Sie das beurteilen wollen!) Sie werden nicht durchkommen. Die Wählerin und der Wähler sind klüger, als Sie von der ÖVP glauben, sei es in den vorderen oder in den hinteren Bänken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Sie können Ihre Zwischenrufe gerne fortsetzen. Das Problem ist, ich verstehe sie hier vorne nicht. (Abg. Murauer: Das ist bei euch das Problem, dass ihr nicht verstehen wollt!) Das ist vielleicht auch besser so, aber ich werde sie dann im Protokoll mit dem größten Interesse lesen, Herr Kollege von den hinteren Bänken.
Schauen wir uns den zweiten Fall an, den ich hier thematisieren wollte: die ASVG-Novelle, die am Freitag beschlossen werden soll, und die Ablöse von Sallmutter. Es gibt hier ein Gutachten von jemandem, der zumindest meines Wissens nicht im Verdacht steht, Mitglied des "rot-grünen Mobs" zu sein, nämlich Professor Bernd Christian Funk, ordentlicher Professor der Universität Wien, zuständig für Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere Verfassungsrecht. Er hat dieses Gutachten nicht etwa für den ÖGB oder für die Grünen oder für die Arbeiterkammer oder für sonst eine "verdächtige" Institution gemacht, sondern für die Wirtschaftskammer.
Dieses Gutachten ist auch für Laien lesbar – ich bin ja selbst nicht Jurist – und jedem Mitglied dieses Hauses intellektuell zugänglich. Ich möchte daraus kurz zitieren, weil es wirklich für sich spricht:
"Durch das Einspruchsrecht" – das sind die künftigen Vetorechte von Finanzminister und Sozialminister – "wird ein wesentlicher Teil der sozialen Selbstverwaltung außer Kraft gesetzt und der Hauptverband in zentralen Funktionen seiner Eigenständigkeit beraubt und unter die Vormundschaft des Bundes gestellt.
Eine Rechtfertigung für diesen schwerwiegenden Eingriff in die gesetzlich eingerichtete Autonomie der Sozialversicherung ist – abgesehen von einem Machtkalkül – nicht ausfindig zu machen."
Gegen Ende kommt es in voller Schärfe:
"In verfassungsrechtlicher Hinsicht" – ich zitiere weiter – "ist die in Aussicht genommene Regelung aus mehreren Gründen zu kritisieren:
1. Sie stellt einen unverhältnismäßigen und sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Autonomie der Sozialversicherung dar.
2. Es fehlt an der verfassungsrechtlich gebotenen Determinierung der Ausübung des Einspruchsrechts durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen beziehungsweise durch den Bundesminister für Finanzen.
3. Die Vorenthaltung eines Überprüfungs- und Rechtsschutzverfahrens verstößt gegen elementare Grundsätze des Rechtsstaates." – Klammer auf: Ich hoffe, Sie hören zu, Herr Kollege Khol, neben Ihrem Blättern in einer Zeitung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
"4. Das rechtliche Verhältnis von Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung wird in willkürlicher Weise verzerrt und durch Machtstrukturen ersetzt: dem Verwaltungsrat des Hauptverbandes bleiben Aufgaben und Verantwortung bei gestörter – weil durch Einsprüche aufhebbarer – Kompetenz, die ministerielle Ebene gewinnt Kompetenz und Aufgabe, jedoch – mangels rechtlicher Überprüfbarkeit – ohne entsprechende Verantwortung."
Das heißt etwas klarer ausgedrückt: Willkür! Willkür wird hier beschlossen am kommenden Freitag mit den Stimmen der ÖVP und der FPÖ. Und das alles wollen Sie uns als "neu regieren" verkaufen?!
Jetzt schaue ich zur Abwechslung wieder einmal den Kollegen Gaugg von der FPÖ an, den ich früher einmal zumindest für einen energischen Vertreter von Arbeitnehmerinteressen gehalten habe. (Abg. Böhacker: Und jetzt?) Was passiert jetzt im Hauptverband, Herr Kollege Gaugg?