Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 125

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Sie sich vom Ing. Westenthaler das Geheimnis elektrischer Drähte erklären! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Ich bleibe kurz beim Punkt Sozialversicherungssysteme. Ich entnehme dem "Standard" und anderen Medien, dass die Finanzierungskrise in den Sozialversicherungsträgern – und nicht nur im Hauptverband – vielleicht sogar ernster ist, als viele Expertinnen und Experten befürchten. (Abg. Gaugg: Dann kann der Sallmutter nicht so ein Experte sein! Entweder gibt es Verantwortliche, oder nicht!) Möglicherweise – und da gibt es auch eine Verantwortung sozialdemokratischer Funktionäre, na selbstverständlich! (Abg. Gaugg: Na also! Talente dort lassen, so wie beim "Konsum"! Wie hat der geheißen, der Aufsichtsratspräsident?)  – müssen einschneidende Maßnahmen getroffen werden, um ein an sich im Kern sachlich gutes und erhaltenswertes System auch über dieses Jahr hinaus im vollen Umfang erhalten zu können.

Wenn wir bei dem Bild eines voll besetzten Autobusses bleiben, der außer Kontrolle gerät und auf einen Abgrund zufährt, dann verstehe ich den Regierungsvorschlag nicht, nach welchem ausschließlich der Lenker entfernt und gesagt wird: Dann wird es schon gut gehen! (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Meine Damen und Herren! Diesen Fahrkünsten möchte ich das wertvolle System der österreichischen Sozialversicherung mit Sicherheit nicht überlassen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir zurück zum ORF. – Meine Damen und Herren! Es stimmt, dass es Kampf um Minuten und Sekunden gibt. Das ist unser Problem. Aber gute Politik lebt davon, dass sie öffentlich ankommt und dass sie auch öffentlich verstanden und manchmal gewürdigt wird. Wenn man aber mit politischen Ladenhütern hausieren geht, dann muss man auf Journalistinnen und Journalisten Druck ausüben, dass sie darüber positiv berichten. Nur wenn man nicht in der Lage ist, die eigene Politik in aller Öffentlichkeit zu erklären und zu verteidigen, dann muss man bei Diskussionen – etwa im ORF – Ultimaten stellen, die da lauten: Ich diskutiere nur, wenn niemand von der Opposition dabei ist. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Bundeskanzler! Haben Sie es wirklich notwendig gehabt, etwa im Zusammenhang mit der Sendung "Betrifft" zur Diskussion "Ein Jahr Bundesregierung" ein Ultimatum dieser Art zu stellen: Riess-Passer und ich kommen nur, wenn wir nicht mit der Opposition diskutieren müssen!? Ebenso verhielt sich auch der Justizminister, indem er sagte: Ich komme nur, wenn keine Oppositionsabgeordneten dabei sind! (Abg. Neudeck: Es geht um eine sachliche Diskussion – und nicht um Polemik!)

Es steht auf einem anderen Blatt, dass sich der ORF manchmal derartigen Erpressungsversuchen fügt. Das ist schlimm genug! Sie aber, Herr Bundeskanzler, sollten Abstand davon nehmen, diesem Land eine derartige Diskussionsverweigerungskultur aufzuzwingen!

Natürlich hat es einen alten Proporz gegeben, und die Verteidiger des neuen Proporzes werden heute noch lang und breit auf den alten Proporz schimpfen. Wenn Sie mich fragen, wer zeitmäßig am meisten beim ORF interveniert hat, dann meine ich gar nicht, dass es Peter Westenthaler war. Wahrscheinlich liegt Andreas Rudas nach wie vor in Führung. Vieles spricht rein von der Quantität dafür. Aber niemand hat sich bis zum Antritt dieser Regierung die Qualität der jetzigen Interventionen vorstellen können. Der alte Proporz bestand in einem System der filzartigen Einbindung möglichst aller. Jeder hat etwas bekommen, damit er oder sie stillgehalten hat. Der neue Proporz ist hingegen die Machtübernahme durch die Hälfte der Parteien dieser Republik, um die andere Hälfte von möglichst allen Gestaltungs-, Bestimmungs- und Kontrollprozessen auszuschließen. (Abg. Gaugg: Das ist gut so!)

Der alte Proporz war schlimm genug, der neue ist jedoch wesentlich schlimmer! Ja, Herr Bundeskanzler, Sie haben aus dem alten Proporz gelernt! Sie haben den "Rasierpinselproporz" und den Filzproporz durch den Proporz der Bleirohre ersetzt! Es wird nicht eingebunden, es wird aufgehängt! Widerstandsnester werden gesäubert, die Leute werden hinausgedrängt, es wird schlicht und einfach politisch liquidiert. So schaut es aus in dieser Republik! Laden Sie nicht zu Dialoggipfeln ein! Reden Sie nicht immer vom Dialog, wenn Sie nicht in der Lage sind, gleichberechtigt mit Journalistinnen und Journalisten, mit ArbeitnehmervertreterInnen und mit Kollegin


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