Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 133

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Herr Bundeskanzler! Ich lese Ihnen gerne die erste Frage vor – Sie kennen sie, Sie haben sie aber nicht beantwortet. Ich lese Ihnen auch gerne die dritte Frage vor, habe aber wenig Zeit (Abg. Mag. Kukacka: Lesen tun Sie gerne, das haben Sie im Sozialausschuss bewiesen!), sie lautet: "... Sollen die Strukturen" der sonstigen Sozialversicherungsträger "dem Vorbild des Hauptverbandes entsprechend ebenfalls ,reformiert‘ werden?" – Beantworten Sie bitte diese Fragen! Wir haben Sie etwas gefragt und haben auch das Recht, die Antwort darauf zu erhalten.

"Regieren neu" heißt offensichtlich – und das ist aus Ihrer Rede sehr klar hervorgegangen –, dass in der Prinzhorn-Sauna oder beim gemeinsamen Baumfällen über die wichtigsten industriepolitischen Belange dieser Republik im Freundeskreis entschieden werden kann und dass dieser Freundeskreis sozusagen ein selbstreferenzielles System errichtet hat, in dem sich der eine dahin lobt und der andere dorthin. Das hat natürlich nichts mehr mit Parteibuchwirtschaft zu tun, sondern das ist schlicht und einfach Freunderlwirtschaft. Wenn Ihnen dieser Begriff besser gefällt, dann verwende ich ihn gern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

"Regieren neu", Herr Bundeskanzler, beschreibt die "Neue Zürcher Zeitung" – die ist sicher kein Organ, das von Rot-Grün gesteuert wird – so:

"Das Vorgehen riecht nach ,Österreich alt‘, dem Gegenteil dessen, was die Regierung verheißen hat: ,Österreich neu‘." – "Neue Zürcher Zeitung" vom 3. Juli, also ganz neu.

"Regieren neu" – erklären Sie, Herr Bundeskanzler, wie Sie das Defizit der Sozialversicherung – das ist die erste Frage – senken wollen dadurch, dass Sie den Präsidenten des Hauptverbandes beseitigen und dass Sie, was ja nicht zufällig ist, obwohl die ÖVP die Nationalratswahlen und die Arbeiterkammerwahlen verloren hat, in diesem neuen Gremium der Selbstverwaltung, das vorher "Verbändekonferenz" geheißen hat und 27 Leute umfasst hat und in Zukunft 38 Leute umfasst – ein Beispiel für eine "schlanke" Struktur, wie sie offensichtlich diese neue Bundesregierung anstrebt –, Ihre personelle Anzahl von 11 auf 22 verdoppeln. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) Die Zahl der der ÖVP oder Ihnen zugeordneten Menschen verdoppelt sich von 11 auf 22. Das ist "regieren neu".

Meine Damen und Herren! "Regieren neu" betreffend komme ich noch einmal auf das Defizit zurück und lese Ihnen gerne noch einen kurzen Abschnitt aus der "Neuen Zürcher Zeitung" vor, das lautet:

"Der mäßig interessierte Laie hätte lange Zeit den Eindruck erhalten können, bestehende und absehbare Finanzierungslücken ließen sich mit einer schlankeren Verwaltung stopfen. Angesichts dessen, was ein zukünftiges Gesundheitssystem kosten wird, sind die Verwaltungskosten jedoch geradezu lächerlich gering."

Das ist nicht unsere Meinung, sondern sie stammt aus der "Neuen Zürcher Zeitung" und wird im Übrigen auch von einem Gesundheitsökonomen, den Sie gerne beschäftigen, nämlich dem ehemaligen liberalen Aushängeschild Christian Köck, bestätigt – und trotzdem gehen Sie diesen Weg?

Da kann man ja nur das sagen, was der "Kurier" getitelt hat: "Sallmutter bald weg, Defizit bleibt". – Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Und man könnte weiter fragen wie im "Standard": "Und wer ist der Nächste?"

Das ist das, was Sie kennzeichnet: keine inhaltliche Reform, zumindest keine, die nach außen zu erkennen ist; und das, was Sie hinter den Kulissen beabsichtigen, nämlich weitere Strukturen parteipolitisch zu verändern, das erfahren wir ja nicht einmal in der Anfragebeantwortung von Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Weil Sie sich so elegant um die Frage des Vetos herumgerudert haben: Es ist nicht das Maßgebliche, das weiß ich schon, aber ich hätte gerne auch von Seiten der ÖVP-Wirtschaftsvertreter gewusst, ob sie auch ihre eigenen Versprechungen noch einigermaßen ernst nehmen.


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