Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 154

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darüber nachzudenken, wie stark die Zeit vor dem 12. Juni 1994, dem Tag der Volksabstimmung, durch eine "Ohne Wenn und Aber"-Beitrittspropaganda geprägt war.

Wenn wir heute in die Archive schauen und uns noch einmal vergegenwärtigen, wie damals über alle Medien, von vielen Parteien, von vielen öffentlichen Stellen, alles, was es durch den Beitritt an Vorteilen geben wird, in den Vordergrund gestellt wurde und nur sehr wenig, Herr Kollege Schieder, wenn wir das jetzt sieben Jahre später betrachten, über die Probleme, die auch auf uns zukommen könnten, informiert wurde, dann muss man, im Nachhinein betrachtet, sagen, dass dieses hervorragende Ergebnis für die Befürworter eines Beitritts – es waren ja an die zwei Drittel, die dafür gestimmt haben, und das ist auch zu respektieren – auch deshalb erzielt werden konnte, weil die Information nicht umfassend war.

Es hat eine "Ohne Wenn und Aber"-Beitrittskampagne gegeben, bei der sehr viele Mittel, auch öffentliche Mittel, aufgewendet wurden, um eben diese Kampagne zu unterstützen. Es hat aber wenig öffentliche Mittel gegeben, um auch über die Probleme, die es geben wird, informieren zu können.

Ich bin überzeugt davon – und nenne nur ein Beispiel –, dass kaum ein Österreicher, der damals für den Beitritt gestimmt hat, gewusst hat, dass er mit dieser Zustimmung auch schon seine Zustimmung zur Teilnahme Österreichs an der europäischen Gemeinschaftswährung gegeben hat. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ich nenne dieses Beispiel deshalb, weil die Entwicklung des Euro heute zeigt, dass vieles von dem, was später auch von der Freiheitlichen Partei im Rahmen eines eigenen Volksbegehrens angeführt wurde, tatsächlich so eingetreten ist. Aber auch damals wurden wir, die immer versucht haben, den Beitritt kritisch zu hinterfragen ... (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Niemand, keine andere Partei hat sich so intensiv mit der Entscheidungsfindung befasst, wie es die Freiheitliche Partei getan hat, lieber Kollege! Wir haben drei Parteitage öffentlich abgehalten, zu denen wir Befürworter, Gegner und Experten eingeladen haben, gemeinsam mit uns zu diskutieren. Und am dritten Parteitag in Villach wurde in einer geheimen Abstimmung der Kurs der Freiheitlichen festgelegt, Herr Kollege. Das hat keine andere in diesem Haus vertretene Partei so gemacht!

Wir stehen heute vor der Situation, dass immerhin 200 000 Österreicher schriftlich kundgetan haben, dass sie für einen Austritt aus der Europäischen Union sind. Und das ist ernst zu nehmen, denn ich bin davon überzeugt, dass es viele weitere Österreicher und Österreicherinnen gibt, die zwar genauso denken, aber dieses Volksbegehren nicht unterschrieben haben. (Abg. Mag. Lunacek: Was wollen Sie?)

Wir sind für eine Europäische Union, für Politiker in der Europäischen Union, die es endlich schaffen, diese Europäische Union bürgernäher und transparenter zu gestalten, damit die Leute das Gefühl los werden, dass über sie drübergefahren wird. Mit dem Post-Nizza-Prozess haben wir eine Chance, weil es darum geht, einen Kompetenzkatalog zu erarbeiten, der einmal klar und deutlich festhalten soll, was Sache der Europäischen Union und was Sache der Nationalstaaten ist. Wir werden uns massiv dafür einsetzen, dass nur das Sache der Europäischen Union ist, was dort wirklich am besten aufgehoben ist.

Es wird darüber diskutiert werden müssen, ob es nicht bestimmte Politikbereiche gibt, die man wieder auf die nationale Ebene zurückverlagern sollte, weil sie dort weitaus besser aufgehoben sind. Wir werden auch über die Einbindung der nationalen Parlamente in den Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene diskutieren müssen. Und wir werden uns sehr dafür einsetzen, dass die Einbindung der nationalen Parlamente eine gute ist und dass der Wille der nationalen Parlamente dort auch zum Tragen kommt. Das ist das, was wir in Zukunft tun werden.

Wir werden uns intensiv mit den Proponenten des Volksbegehrens auseinander setzen, ihre Vorschläge anhören und so weit wie möglich auch in unsere Überlegungen einbeziehen. Das kann ich den Proponenten des Volksbegehrens von dieser Stelle aus versprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09


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