Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 158

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Erst vor wenigen Tagen hat ein bekanntes Meinungsforschungsinstitut ein Untersuchungsergebnis vorgelegt, das besagt, dass etwa 25 bis 30 Prozent der Bürger Überlegungen in Richtung Austritt aus der Europäischen Union anstellen. Das heißt, das ist nicht etwa eine sektiererische Minderheitsmeinung, sondern eine Meinung, die aus heutiger Sicht offensichtlich nahezu von einem Drittel der österreichischen Bevölkerung geteilt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe im Ausschuss und im Hearing die Auffassung meiner Fraktion wiedergegeben, wonach die FPÖ einer Wiederholung der Abstimmung aus dem Jahr 1994 nicht das Wort reden kann, und zwar aus mehreren Gründen nicht.

Zum Einen – das wurde bereits mehrfach angeführt –: Es gibt im Recht den Grundsatz "ne bis in idem", das heißt, nicht zweimal in der selben Sache zu entscheiden, und ich glaube, man sollte eine demokratische Entscheidung – und eine Volksabstimmung ist direkte Demokratie pur, wie sie purer nicht sein kann – nicht ganz einfach außer Kraft zu setzen versuchen. Das sollte generell gelten, zumal auch immer wieder kritisiert wird, dass in anderen Ländern die Regierenden so oft abstimmen lassen, bis das Abstimmungsergebnis passt.

Zweitens bin ich gegen einen Austritt und gegen eine Volksabstimmung, die darauf abzielt, weil es dann zweifellos zu einer Isolierung Österreichs kommen würde. Es wäre ein einmaliger Akt, dass ein Nationalstaat aus einem Wirtschaftsbündnis westlicher Prägung austritt. Wir sind ja nicht im COMECON, sondern wird sind in der Europäischen Gemeinschaft. Ich bin davon überzeugt, dass Österreich nicht der Schweiz gleichgestellt werden würde, mit der man ja seitens der Europäischen Union durch bilaterale Verträge die Zusammenarbeit sucht. Wir wären vielmehr ein Land, das dabei war und durch einen unfreundlichen Akt – und als solcher wäre natürlich ein Austritt zu werten – aus der Gemeinschaft ausgetreten ist.

Aber ich stehe nicht an, auch zu sagen, dass mich ein Argument von Professor Walterskirchen überzeugt hat. Er hat nämlich gesagt: Lassen wir die letzten Jahre Revue passieren! Am 1. Jänner 1995 ist Österreich der Europäischen Union beigetreten. Wie hat sich die Volkswirtschaft von Österreich im Vergleich zu der der Schweiz seither entwickelt? Man muss sagen, Österreich hat sich wirtschaftlich günstiger als die Schweiz entwickelt. – Das ist ein Argument, dem ich uneingeschränkt folgen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren vom Proponentenkomitee dieses Volksbegehrens! Sie haben jedenfalls eines erreicht: Alle Diskussionsteilnehmer haben sich mit einer Reform der Institutionen befasst. Ich glaube, das ist wichtig, denn es besteht ein Unbehagen, weil in der Europäischen Union ein großer Reformbedarf der Institutionen gegeben ist. Die Kommission ist nicht demokratisch legitimiert, nicht direkt demokratisch legitimiert, sondern die einzelnen Kommissare werden von den nationalen Regierungen dorthin entsandt, ohne Wahl. Oder: Das Parlament hat nicht jene Gesetzgebungsbefugnisse, die es in nationalen Parlamenten gibt. Dies und noch anderes rechtfertigt doch sehr deutlich dieses Unbehagen.

Meiner Vorrednerin darf ich noch sagen: Wenn Sie von direkter Demokratie und von Volksabstimmung sprechen, dann teile ich Ihr Argument nur in einem Aspekt, nämlich wenn Sie sich gegen eine Volksabstimmung über eine Causa, über die schon einmal abgestimmt wurde, aussprechen. Darüber hinaus zu sagen, dass es Bereiche gibt, die sich nicht für eine direkte Demokratie, für eine Volksabstimmung eignen, dem kann ich nicht beipflichten. Das Gegenteil ist meines Erachtens der Fall. Wenn wir die Demokratie ernst nehmen, dann müssen wir sie uneingeschränkt ernst nehmen.

Sie meinen, eine Teildemokratie – dort, wo der Bürger mündig ist und demokratisch abstimmen kann – soll es geben, aber in bestimmten Teilbereichen, wo der Bürger angeblich nicht in der Lage ist, abzustimmen, soll es keine direkte Demokratie geben. – Das lehnen wir ab. Kirchschläger hatte vollkommen Recht, als er sagte: Es gibt keine Frage in der Demokratie, die nicht auch einer direkten Abstimmung durch den Bürger zugänglich wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.26


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