Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 228

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Die Bedenken des Rechnungshofes gegen diese Vergabe berühren eine andere Sache: Die österreichischen Auftraggeber haben festgelegt, welche Angebotserfordernisse gegeben sind. Es bestanden zwei Angebotserfordernisse: Erstens musste diese Radaranlage von der anbietenden Firma in Serie produziert werden, und zweitens verlangten die österreichische Regierung beziehungsweise das Verteidigungsministerium damals, dass diese Radaranlagen bereits in einer Armee in Erprobung sind.

Beide Voraussetzungen dieses Angebotes konnte die Firma Thomson nicht erfüllen. Aber es handelt sich ja um "alte Hüte", meine Damen und Herren! Diese Entscheidungen wurden trotz der – bereits bekannten – versuchten Schmiergeldzahlung an die SPÖ getroffen. Wenn man von Seiten der Firma versucht hat, jemanden zu schmieren, der mit diesen Entscheidungen überhaupt nichts zu tun hatte – denn weder das Verteidigungsministerium noch das Wirtschaftsministerium waren in Händen der SPÖ –, dann ich frage mich, welches Angebot wohl jenen gestellt wurde, die Entscheidungen zu treffen hatten. – Darüber ist natürlich nichts auszusagen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Das Finanzministerium war nie in Händen der SPÖ?)

Im August 1994 kam es dann zu heftigen Aktivitäten, weil die Firma Thomson merkte, dass dieser Auftrag nicht an Land zu ziehen zu sein schien. Herr Merk, ein Repräsentant der Firma Thomson, der in der Zwischenzeit leider verstorben ist, hat sich an Herrn Schreiber gewandt, der ja im Waffengeschäft und in diesen Kreisen als Lobbyist den besten Namen hatte, und hat ihn gebeten, doch eine Türöffnerfunktion in Richtung österreichische Regierung und zum Wirtschaftsminister hinein zu spielen. Herr Schreiber hat seinen Freund, den Wirtschaftsminister in Bayern, Wiesheu, gebeten, diese Verbindung herzustellen, und angeblich – so die Aussagen – kam es am 16. August 1994 zum Gespräch zwischen Herrn Merk und dem damaligen österreichischen Wirtschaftsminister Schüssel. (Abg. Gradwohl: Ungeheuerlich!)

Der Auftrag an das Wifo ist in diesem Zusammenhang auch interessant. Ebenfalls noch im August 1994 hat der Wirtschaftsminister das Wifo beauftragt, doch zu recherchieren, ob da nicht wirtschaftliche Erfolge zu erzielen wären. Angeblich waren diese Kompensationsgeschäfte dann derart, dass militärische Erwägungen überhaupt keine Rolle mehr spielten. – So weit die "alten Hüte".

Der neue Hut beziehungsweise die wieder in Mode kommende Huttracht des Herrn Bundeskanzlers – in der Zwischenzeit – zeigt sich im Folgenden: Wie schon aus dem Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" hervorgeht, hat Herr Schreiber, nachdem Thomson offensichtlich die Provisionen aus diesem Österreichgeschäft nicht bezahlt hat – es handelt sich, wie gesagt, um 10 Millionen Schilling –, die Firma Thomson geklagt. Als Zeugen nennt Herr Schreiber unter anderen Herrn Wiesheu und den österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und lässt ihnen via "Süddeutsche Zeitung" ausrichten – ich zitiere –:

"Die Unwahrheit ... darf keiner sagen, das gilt für alle Zeugen, die geladen werden. Die müssen aufpassen, dass ihnen nicht dasselbe passiert wie dem Herrn Schäuble, wenn Sie wissen, was ich meine." – Ich denke, die Herrschaften wissen das exakt! (Abg. Dr.  Martin Graf: Wann hat er das gesagt?) Herr Kollege, das hat Schreiber am 28. Juni dieses Jahres der "Süddeutschen Zeitung" gegenüber gesagt. (Abg. Gradwohl: Also doch kein alter Hut!) Das ist also kein alter, sondern ein neu in Mode gekommener Hut, es handelt sich nämlich jetzt um die Zeugenladung des österreichischen Bundeskanzlers in der Frage eines Waffengeschäftes und der Provisionen, die in diesem Bereich fließen!

Was meinte Schreiber denn, wenn er sagt: "..., wenn Sie wissen, was ich meine."? – Er meinte damit den Skandal der ÖVP-Schwesterpartei CDU und den Rücktritt des Herrn Schäuble. – Ich meine, das ist traurig genug und hinlänglich bekannt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der österreichische Bundeskanzler wird als Zeuge in einem Waffenprovisionsgeschäft geladen, das auf einem österreichischen Grundgeschäft beruht! Es handelt sich immer noch um die Radaranlagen für das österreichische Bundesheer, die von Thomson gekauft wurden. Er wird als Zeuge vor ein Schweizer Gericht geladen – und all das lesen wir in einer deutschen Zeitung. – Damit hat dieser "alte Hut" tatsächlich neue, auch


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