Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 54

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Grundsätzlich kann gesagt werden, dass alles das, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten kann (Kultur- und Bildungsauftrag, objektive Information, Grundversorgung, Minderheitenprogramme, Förderung der österreichischen Identität, ...), eine private Rundfunkanstalt nicht erfüllen wird, weil der wichtigste Grundsatz privater Rundfunkanstalten der der Gewinnmaximierung ist und sein muss. Es bedarf keiner allzugroßen Phantasie, dass dem vieles zum Opfer fällt. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besteht hingegen als oberstes Grundprinzip, die Erfüllung seiner kulturellen Funktion. Die Umsetzung dieser Aufgaben ist dabei unter größtmöglicher wirtschaftlicher Effizienz vorzunehmen. Das heißt, alle Tätigkeiten des ORF (bis in die unterste Schublade) sollen inhaltlich durch die Programmgrundsätze geprägt sein, während die Ausführung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Der öffentlich-rechtliche Auftrag beinhaltet auch die Verpflichtung zu einer wirtschaftlichen und effizienten Geschäftsführung und die damit verbundene Bestandsicherung. Ziel des ORF kann daher nicht sein, mittels Programmen Gewinne zu machen, sondern muss sein, mittels wirtschaftlichem Erfolg ein qualitativ hochwertiges Programm zu machen.

Der ORF ist daher nicht ein kulturelles Wirtschaftsunternehmen, sondern ein wirtschaftlich zu führendes Kulturunternehmen!

Das Produkt der Information hat Wirkungen, die mit jenen anderer Produkte nur bedingt vergleichbar sind. Informationen tragen wesentlich dazu bei, Weltbilder zu schaffen, politische und kulturelle Urteilskraft und Urteile zu formen, Verhalten und Entscheidungen des politischen Menschen zu bestimmen und damit den Zusammenhalt (oder den Zerfall) politischer Gemeinschaften zu organisieren. Informieren ist eine politische und kulturelle, keine ökonomische Aufgabe, auch wenn Angebot und Nachfrage im Informationsbereich Markt ähnlich organisiert sind.

Demokratie hat eine aufgeklärte und substantielle Öffentlichkeit zur Voraussetzung. Das Programmentgelt ermöglicht dem ORF und verpflichtet ihn zu umfassender, objektiver ("fairer") und verantwortungsvoller Berichterstattung – unabhängig von Lobbies, Financiers und persönlichen Präferenzen/Interessen von Herausgebern. Die klassische Einteilung in Hie-Information und Da-Unterhaltung ist nicht haltbar. Auch Unterhaltung beinhaltet Information und wichtiger noch, gerade Unterhaltung trägt und spiegelt Weltbilder und Haltungen (zur Welt) wieder. Auch hier ist der ORF gefordert, ein qualitativ hochwertiges Programm zu bieten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass in dem Grundsatzpapier des ORF zur Gewalt und Obszönität in Radio und Fernsehen festgehalten wird, dass der ORF darauf verzichtet, "gewaltsame oder angsterregende Sendungsinhalte allein zum Zwecke der Reichweitenmaximierung einzusetzen". Die spekulative Trivialisierung von Programmen im allgemeinen und von Informationssendungen im besonderen lehnt der ORF aus seinem öffentlich-rechtlichen Selbstverständnis heraus ab. Der ORF bekennt sich insbesondere bei Talkshows in Radio und Fernsehen zu einer Gesprächsphilosophie, die der persönlichen Würde der Gäste, dem intellektuellen Nutzen für das Publikum und einer demokratischen Diskussionskultur verpflichtet ist. Die Wahrung der Würde der Person verlangt auch, dass die Intimsphäre des einzelnen z.B. bei der Darstellung von Tod, Krankheit, Schmerz und Trauer nicht verletzt wird. Sexualität und Erotik sind von Obszönität und Pornographie zu unterscheiden. Der ORF bietet ein breites Spektrum an Programmen für alle Altersgruppen. Bei der Programmzusammenstellung nimmt der ORF auf das im Tagesverlauf jeweils zu erwartende Publikum Rücksicht.

Insbesondere die Integration ethnischer, kultureller, sozialer und anderer Minderheiten ist eine ganz wesentliche gesellschaftliche Aufgabe, die ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk zu erfüllen hat. Dabei geht es mehr um Haltung als um Sendeflächen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss Haltung ausstrahlen und nicht Sendeflächen. In den einzelnen Regionalsendungen der Landesstudios soll täglich zumindest ein Beitrag in der Sprache einer der im jeweiligen Land lebenden Volksgruppe (mit deutschen Untertiteln) ausgestrahlt werden. Ausserdem sollten vor allem Nachrichten grundsätzlich auch in der Gebärdensprache vorgetragen werden. Vermehrt sollen auch fremdsprachige Filme mit Untertiteln oder im Zweitonverfahren in das Programm eingebaut werden.

Die Sicherung des öffentlich rechtlichen Programmauftrages und der Unabhängigkeit des ORF muss auch durch eine weitgehende Produktionsautonomie gewährleistet werden. Wesentlicher


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