Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 140

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Wenn Sie über diese Demonstrationen reden, dann müssen Sie sich auch ein wenig mit den Anliegen der Demonstranten auseinander setzen, denn vor dem Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen, zu welchen es leider immer wieder kommt, geraten die Anliegen dieser Demonstranten, die durchaus diskussionswürdig sind, viel zu sehr in den Hintergrund, und niemand bedauert dies mehr als die Demonstranten selbst. Es geht um Fragen nach fairen Spielregeln in der Weltwirtschaft, es geht um die Situation der Entwicklungsländer und um die Verteilung von Reichtum und Armut in der Welt. Es geht um die Frage, ob man armen Ländern Schuldennachlass gewähren soll, es geht um Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit, und es geht darum, die Arbeitnehmer- und Umweltinteressen gegenüber grenzüberschreitend agierenden Konzernen zu schützen. – Alles in allem sind wir uns wohl darüber einig, dass es politisch Sinn macht, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Diese Anliegen gelangen aber immer zu sehr in den Hintergrund. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Von wegen linke Chaoten: Es gibt eine sehr interessante Analyse von Professor Anton Pelinka. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Dass Sie ihn nicht schätzen, ist Ihr Problem! Aber hören Sie sich einmal diese Analyse an! – Pelinka schreibt:

"Es ist eine seltsame Allianz aus alten Linken und neuen Rechten. Die Linken lehnen die Globalisierung als wesentlichen Bestandteil des weltweiten Kapitalismus ab, und die neuen Rechten kämpfen dagegen, weil sie das Ende der Nationalstaaten heraufkommen sehen."

Man muss also auch "die linken Chaoten" relativieren! Und da die von Ihnen so benannten linken Chaoten weitgehend die Träger und Trägerinnen der Friedensbewegung waren und immer gewaltfrei agieren, stelle ich Ihnen die Frage: Wer ist wohl, wenn Sie sich das vor Augen halten, der gewaltbereitere Teil bei diesen Demonstrationen? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Es geht nicht um Demonstrationen, sondern um Gewaltanwendung!)

Meine Damen und Herren! Demokratie spielt sich nicht nur hier im Parlament ab. Demokratie hat viele Ausdrucksformen, und Demokratie hat verfassungsmäßig verbriefte Rechte, die auch Sie respektvoll behandeln sollten! Ihnen, meine Damen und Herren, fehlt leider allzu oft die Achtung vor dem politischen Gegenüber, vor politisch Andersdenkenden und vor Kritikern und Kritikerinnen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Aber wir könnten auch über Ihr Demokratieverständnis reden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Motto heißt Dialogverweigerung und Eskalation. Und wie Sie das Durchgreifen anlegen sollen, darüber sind Sie sich noch nicht ganz klar. Aber Herr Böhmdorfer denkt schon darüber nach, wie man Oppositionelle und Journalisten hinter Gitter bekommen könnte. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist eine Verleumdung! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist eine Verleumdung? – Ich erinnere mich noch gut an den von Herrn Dr. Böhmdorfer vorgetragenen Vorschlag, dass man darüber nachdenken sollte, Oppositionelle einzusperren, und den Journalistenparagraphen haben wir erst kürzlich diskutiert. (Abg. Parnigoni: Herr Haider hat dazu geklatscht!) Und Herr Haider ist daneben gesessen, hat den Vorschlag gemacht, und Böhmdorfer hat das als "begrüßenswert" kommentiert.

Ich sage Ihnen gleich im Voraus: Sie werden angesichts der Politik, die Sie betreiben, und angesichts der Haltungen, die Sie einnehmen, weiterhin mit gewaltfreien Demonstrationen umgehen müssen! (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Deswegen empfehle ich Ihnen, dass Sie lernen, respektvoll mit derartigen demokratisch und verfassungsmäßig legitimierten Bürgerrechten umzugehen! (Abg. Ellmauer: Sie können sich die Belehrungen sparen!) Es würde besonders Regierungsparteien anstehen, wenn sie sich endlich einen verantwortungsvollen Umgang damit aneignen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.


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