Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 285

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Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Das vorliegende Sammelgesetz, dessen Kern die Schaffung einer Finanzmarktaufsichtsbehörde darstellt, umfasst zwei inhaltliche Schwerpunktbereiche:

Zum einen die organisatorische Umgestaltung der Bankenaufsicht, Versicherungsaufsicht, Wertpapieraufsicht und Pensionskassenaufsicht durch Vereinigung der bisherigen Kapazitäten im Bundesministerium für Finanzen, der BWA und teilweise in der Oesterreichischen Nationalbank und Zusammenführung dieser Kapazitäten in einer neu zu errichtenden Tochtergesellschaft der Oesterreichischen Nationalbank in Form einer Aktiengesellschaft in 100%igem Eigentum der OeNB. Diese Finanzmarktaufsichtsbehörde – FMA – wird nach Aufnahme der bestehenden, insbesondere personellen Ressourcen, als unabhängige weisungsfreie Allfinanzaufsichtsbehörde errichtet.

Zum anderen wird das materielle Aufsichtsrecht in einigen Punkten geändert, bei denen sich in der Vollziehung Defizite gezeigt haben. Zielsetzung hierbei ist die erhöhte Schnelligkeit und Durchsetzbarkeit aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. Beispielsweise sollen Probleme im Prüfungsbereich dadurch beseitigt werden, dass die Anforderungen an Bankprüfer noch strenger gefasst werden als bisher. Dies umfasst sowohl die Anforderungen an die persönliche Qualifikation der Bankprüfer als auch die Absicherung der Verlässlichkeit der Prüfungshandlungen durch die Einführung des Rotationsprinzips.

Auch die Stellung des Aufsichtsrates von Kreditinstituten wird gestärkt. Der Aufsichtsrat erhält zB die Möglichkeit, zur Unterstützung seiner Überwachungsaufgaben auch selbst Prüfungen durchführen zu lassen. Schließlich wird die aufsichtsrechtliche Verfahrenszuständigkeit, die Vollstreckungskompetenz und die Verwaltungsstrafzuständigkeit bei einer Behörde zusammengeführt. Damit erhält die FMA erhebliche Autorität und Durchsetzungskraft.

Die strukturelle Entscheidung, eine Tochtergesellschaft der Oesterreichischen Nationalbank mit allen Aufsichtsfunktionen zu betrauen, ist wie folgt zu begründen:

Bereits seit 1997 wurden grundsätzliche Überlegungen zur Gestaltung einer idealtypischen Bankenaufsicht angestellt, dies aus grundsätzlichen strategischen Erwägungen ohne besonderen Anlass, wobei auch externe Experten in die Beratungen einbezogen waren. Weiters wurden zur Frage der Aufsichtsorganisation Gutachten renommierter nationaler und internationaler Experten eingeholt, wobei verschiedene Modelle evaluiert und die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen untersucht wurden. Als Ergebnis ist festzuhalten:

- Die operationelle Unabhängigkeit der Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsichtsbehörden entspricht dem internationalen Standard und wird in den maßgeblichen internationalen Aufsichtsgremien (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, IOSCO für Börse- und Wertpapieraufsicht und IAIS für Versicherungsaufsicht) als wesentliche Anforderung gesehen.

- Die Schaffung einer Allfinanzaufsicht führt zur größtmöglichen Synergiennutzung und entspricht auf Seite der beaufsichtigten Unternehmen der Tendenz zu deren zunehmender Verflechtung ("Allfinanzkonzerne"). Dieser Trend zeigt sich auch auf internationaler Ebene, es sind in jüngerer Zeit zunehmend Allfinanz-Aufsichtsbehörden geschaffen worden (zB Vereinigtes Königreich), bzw. weiterhin im Entstehen begriffen (zB Deutschland). Auch die EU-Beitrittskandidaten setzen zunehmend auf diese Organisationsform und wird dies von der EU positiv beurteilt.

- Die enge Einbindung der Zentralbanken in die Bankenaufsicht ist eine international übliche Praxis. In mehr als der Hälfte der Staaten des Euro-Raums ist die Bankenaufsicht entweder direkt in der Zentralbank angesiedelt oder die Zentralbank ist eng in die Aufsicht eingebunden. Die institutionelle Lösung einer getrennten Aufsichtsbehörde bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von Zentralbankressourcen bei der operativen Ausübung der Aufsichtsfunktion ist beispielsweise gängige Praxis in Frankreich. Auch in Deutschland sieht der gegenwärtig diskutierte Gesetzesentwurf eine stärkere Mitwirkung und Einbeziehung der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Bankenaufsicht vor.


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