Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 101

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Parlament. Ich denke, es war ein guter Tag für dieses Parlament, weil sich gezeigt hat, dass es angesichts eines derart unfassbaren Terroranschlages möglich ist, doch viel von dem Parteienhickhack, das sonst unsere Debatten gelegentlich nicht gerade auszeichnet, in den Hintergrund treten zu lassen. Es war möglich, in wesentlichen Fragen, in denen es um die Sicherheit für die Menschen in diesem Lande, aber auch um die Bekämpfung des Terrors geht, zu gemeinsamen Grundlagen zu kommen. Ich denke, das ist wichtig. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Wir Sozialdemokraten sind schon seit geraumer Zeit dafür eingetreten und treten weiterhin dafür ein, dass wir in wesentlichen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik versuchen sollten, eine gemeinsame Grundlage der österreichischen Politik zu finden, weil ein kleiner Staat nur dann, wenn es eine gemeinsame Grundlage in den wesentlichsten Fragen gibt, die Chance hat, im internationalen Kontext wahrgenommen, als vertrauenswürdig wahrgenommen zu werden und auch seine Linie dort gegebenenfalls behaupten zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir würden uns wünschen, dass diese Haltung der Besonnenheit von allen Beteiligten an den Tag gelegt wird. Und ich stehe nicht an, auch Ihre Haltung, Herr Bundeskanzler, in den letzten Tagen anzuerkennen, weil sie von Besonnenheit und Nüchternheit geprägt war, und das hat uns in diesen Tagen gut getan. Ich denke, dass diese Art von Besonnenheit und diese Art der Konsenssuche auch für die weitere Politik durchaus von Nutzen sein könnten. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hohes Haus! Ich bin heute von Journalisten gefragt worden, ob dieses Klima, das wir heute alle haben wahrnehmen können und zu dem auch alle versucht haben, das Ihre beizutragen, schon ein Zeichen für eine grundsätzliche Veränderung des Verhältnisses zwischen den Regierungsparteien und der Opposition wäre. Ich denke, dass eine Antwort auf diese Frage jedenfalls jetzt noch nicht gegeben werden kann, aber es gibt das eine oder andere Anzeichen in diese Richtung. Wir sind diesbezüglich hellhörig und würden uns freuen, wenn sich diese Zeichen, die heute sichtbar und hörbar waren, tatsächlich auch als konkretes Angebot zu echten Vereinbarungen entpuppen würden oder sich zeigen würde, dass es zu einem wirklichen Aufeinander-Zugehen kommt, insbesondere etwa auch in der Frage der so genannten Sicherheitsdoktrin. Da wird Bewegung notwendig sein, und da wird sich zeigen, wie ernst die heutigen Ankündigungen gewesen sind.

Hohes Haus! Lassen Sie mich aber bei dieser Gelegenheit und aller Anerkennung dessen, was in den letzten 14 Tagen gelungen ist, schon auch sagen, dass man natürlich auch den Eindruck haben kann, dass manches nicht gelungen ist. Ich war doch etwas erschüttert, dass es sehr rasch zu sehr griffigen Slogans gekommen ist, wie etwa: Dem Terrorismus gegenüber kann es keine Neutralität geben! – Das ist zwar eine Wahrheit, weil es keine Gleichgültigkeit gegenüber dem Terrorismus geben kann, aber es war zugleich ein Spiel mit der Neutralität, und das hat sich verboten unter diesen Bedingungen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir haben ganz bewusst diese Frage nicht ins Zentrum unserer Auseinandersetzungen gestellt, weil es bei der Frage rechtsstaatlicher Verfolgungsmaßnahmen, weil es bei polizeilichen Maßnahmen überhaupt nicht um dieses Thema geht. Daher hätten wir uns gewünscht, wenn diese Frage beispielsweise nicht angesprochen worden wäre. Und wir hätten uns auch gewünscht, dass die Frau Vizekanzlerin heute die Neutralität eben nicht in einem Nebensatz als "sich überall heraushalten" klassifiziert hätte, denn Neutralität heißt für uns, sich nicht an Kriegen zu beteiligen, und das heißt sehr, sehr viel mehr als das, was Sie, Frau Vizekanzlerin, heute so als Schlenker drübergegossen haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen weiteren Punkt ansprechen: Ja, Frau Vizekanzlerin, es gibt keine Rechtfertigung für den Terrorismus – Sie haben das Bezug nehmend auf einen Gastbeitrag von Hans Peter Martin gesagt. Es gibt wirklich keine Rechtfertigung für diesen oder einen anderen Terrorismus, der derartig menschenverachtend vorgeht. Es gibt keine wie immer geartete Rechtfertigung, aber – Ihr Parteikollege und Verteidigungsminister Scheibner hat das heute nicht das erste Mal angesprochen – es gibt eine Geschichte, es gibt Bedingungen, die das begünstigen, es gibt Rahmenbedingungen, die es leider wahrscheinlicher erscheinen


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