Das Festhalten am Fetisch Nulldefizit in Zeiten der einbrechenden Konjunktur zeugt von politischer Kälte, bei der die Schicksale der Menschen zweitrangig sind. Die blau-schwarze Regierung sollte sich an den konservativ regierten USA ein Beispiel nehmen, wo man nicht blind an irgendwelchen Dogmen festhält, sondern wo die Geld- und Budgetpolitik eingesetzt wird, um der Wirtschaft wieder Schubkraft und den Menschen Beschäftigung und Wohlstand zu geben.
Und das von der Regierung im Ministerrat vom 4.September 2001 eilig beschlossene Strukturprogramm zur Verbesserung des Standorts ist nach einhelliger Auffassung von Wirtschaftsexperten und Medien ein "konjunkturelles Placebopaket" (so z. B. Format 37/01). Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind reine Kosmetik und beinhalten kaum zusätzliche Investitionen, die nicht ohnehin schon längst budgetiert sind. – Nicht mehr als ein "Sofortprogramm heiße Luft" (NEWS 36/1, Seite 28).
Auch das von der Regierung nunmehr hektisch nachgebesserte und am 5. Dezember 2001 vorgelegte sogenannte 2. Konjunkturprogramm kommt zu spät, ist halbherzig und wird daher wirkungslos sein.
Während die EU-Kommission nachgewiesen hat, daß aktive Konjunkturpolitik Wachstum fördert und Budgetprobleme verringert, prolongiert die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung Österreichs Wirtschaftskrise durch ihre Untätigkeit. Erneut versucht sich die FPÖVP-Koalition mit Mogelpackungen über die Probleme drüberzuschwindeln statt sie zu lösen oder tatsächlich Zukunftskonzepte zu liefern.
Es wird lediglich suggeriert, dass es sich bei den Investitionsvorhaben um zusätzliche Maßnahmen handelt. Exportoffensive, Reformen im Wohnbaurecht, Sanierungsmaßnahmen im Bundeshochbau, Verbesserungen beim Arbeitsmarktservice, Jugendausbildung – "das alles ist eher ein PR-Paket – da werden Maßnahmen in die Auslage gestellt, die bereits beschlossen sind. Zusätzliche Impulse sind kaum drinnen." (meint ein anerkannter Wirtschaftsforscher)
Placebos werden uns in der drohenden Rezession nicht helfen. Die Regierung handelt grob fahrlässig und setzt keinerlei Maßnahmen, die im Ernstfall wirklich greifen werden. Das starre Festhalten an richtigen Konzepten für die Hochkonjunktur, wie dem Nulldefizit, taugt nicht für die Bewältigung der schwierigen ökonomischen Situation, in der wir uns jetzt befinden. Das müßte auch die FPÖVP-Koalition langsam einsehen. Gefragt sind mehr Flexibilität und effizientes Krisenmanagement.
Dazu kommen noch die Fehler der Regierung im vergangenen Jahr, auf die die Sozialdemokratie immer wieder hingewiesen hat. "Leider verschweigt die Regierung, daß sie gleichzeitig Maßnahmen gesetzt hat, die entgegengesetzt wirken", meint der Konjunkturexperte des Wifo, Walterskirchen (im NEWS 36/1). "Die Erhöhungen der Steuern und Gebühren schmälern heuer die Nettoeinkommen um rund 30 Milliarden Schilling. Daß das nicht voll auf die Konjunktur durchschlägt liegt nur daran, daß die Österreicher diesen Ausfall zum Teil durch einen Rückgriff auf ihr Erspartes ausgleichen."
Vor allem die jüngste Herbstprognose der EU-Kommission über die Wirtschaftsentwicklung EU-Länder läßt klar erkennen: Konjunkturpolitik fördert Wirtschaftswachstum, und Wirtschaftswachstum erleichtert Budgetpolitik.
Ganz allgemein führt das zu der Schlußfolgerung:
Konservative Regierungen in Europa stellen Budgetziele über Wachstum und Beschäftigung, drücken die Realeinkommen der Menschen, und unternehmen kaum etwas, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Folge: das Wachstum ist schwächer, die Arbeitslosigkeit höher, die Budgetprobleme sind größere.
Sozialdemokratische Regierungen in Europa dagegen stimulieren (mit einer Ausnahme: Deutschland) durch Konjunkturprogramme Wachstum und Beschäftigung, sorgen für Realeinkommenszuwächse der Menschen und haben dadurch weniger Budgetprobleme.