Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 124

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"Für Österreich gut verhandelt. Bundeskanzler Schüssel: Wir haben höchstmögliche Sicherheit für die Menschen erreicht", ließ die ÖVP am 7. Und 8. Dezember in großen Inseraten in österreichischen Tageszeitungen verlautbaren. In den Inseraten wird behauptet, dass die österreichischen Sicherheitsforderungen vollinhaltlich von Tschechien umgesetzt werden und dass die in Brüssel zwischen Bundeskanzler Schüssel und dem tschechischem Premier Zeman verhandelte Vereinbarung rechtsverbindlich sei und nach einem Beitritt Tschechiens zur EU beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sein werde. Diese öffentlichen Behauptungen, bezahlt mit österreichischer Steuermitteln aus der Parteikassa der ÖVP, entsprechen nicht der Faktenlage und sind daher die Unwahrheit. Die ÖVP und allen voran Bundeskanzler Schüssel versuchen, die Öffentlichkeit durch Falsch-Aussagen vorsätzlich in die Irre zu führen.

Sicherheitsforderungen werden nur mangelhaft von Tschechien umgesetzt

Für die meisten der sieben offenen Sicherheitsfragen wurde seitens Tschechien im Brüssel-Abkommen keine ausreichende Lösung zugesagt. Messlatte für die Erfüllung der insgesamt sieben offenen Sicherheitsforderungen ist der von einem internationalen Expertenteam im Auftrag der Bundesregierung erstellte Bericht (NPP Temelín, Austrian Technical Position Paper, Juli 2001). Würden die Aussagen des Bundeskanzlers der Wahrheit entsprechen, so müsste das Brüsseler Abkommen einer rechtssicheren Verpflichtung Tschechiens entsprechen, allen im Expertenbericht aufgelisteten Empfehlungen nachzukommen und die Sicherheitsmängel vollständig zu beheben. Das entspricht nicht den Tatsachen, denn

die für die Sicherheit extrem wichtige Frage des Containments (also jener Beton-Schutzhülle, die bei schweren Unfällen ein Entweichen von Radioaktivität verhindern soll) ist im Brüssel-Abkommen nicht angesprochen.

beim Sicherheitspunkt "Integrität des Reaktordruckbehälters und Thermoschock-Analyse" hat Tschechien nur das zugesagt, was im Rahmen der von der tschechischen Atomaufsichtsbehörde vorgesehenen Maßnahmen ohnehin geplant war, nämlich die Sprödbruchsicherheitsanalyse für den Reaktordruckbehälter erst innerhalb der nächsten 5 Jahre (!) durchzuführen. Der Expertenbericht i.A. der Bundesregierung fordert das Durchführen der Analysen vor einer Inbetriebnahme. Auch Block 2 kann in Betrieb genommen werden, ohne dass die Sprödbruchanalysen vor der Aufnahme des Testbetriebes durchgeführt werden.

Bei den zwei Sicherheitsfragen "Auslegungsmängel der 28,8 Meter Bühne" und "Funktionale Qualifizierung von sicherheitsrelevanten Ventilen" wurde lediglich zugesagt, dass fehlende Analysen bis September bzw. Juni 2002 nachgemacht werden. Das Ergebnis soll dann der tschechischen Atomaufsichtsbehörde vorgelegt werden. Die Entscheidung, ob und in welchem Ausmaß nachgerüstet wird, bleibt der tschechischen Aufsichtsbehörde überlassen und dadurch völlig offen.

Ein eindeutiger Beleg dafür, dass Tschechien sich nicht verpflichtet sieht, die österreichischen Forderungen umzusetzen, sind die Aussagen des Tschechischen Premiers Zeman, der die zusätzlichen Kosten für die Erhöhung der Sicherheit von Temelín mit ATS 40 Millionen beziffert. Expertenschätzungen gehen von den hundertfachen Kosten (ca. 4 Mrd. ATS) aus, um Temelín auf EU-Sicherheitsniveau zu bringen. Für den tschechischen Industrieminister Gregr sind die Sicherheitsnachrüstungen überhaupt "vernachlässigbar".

Vereinbarung ist rechtlich kaum abgesichert und nicht vor dem EuGH einklagbar

Im Verhandlungskapitel Energie wurde eine Passage aufgenommen, die auf das Brüsseler Temelín-Abkommen Bezug nimmt. Die Formulierung im Energiekapitel ist die Nagelprobe für die beabsichtigte eu-rechtliche Verankerung der österreichisch-tschechischen Vereinbarung. Eine genaue Analyse des Textes zeigt, dass die EU im Energiekapitel nur zwei der sieben von Österreich vorgebrachten Sicherheitsprobleme berücksichtigen will. Denn die EU betrachtet die Brüssel-Vereinbarung lediglich als eine "Information Tschechiens, die im Rahmen des Ratsberichts über nukleare Sicherheit im Kontext der Erweiterung bereitgestellt wurde und wird diese Information berücksichtigen, wenn sie ihre Sicherheitsüberprüfung (peer review)


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