Herr Bundeskanzler! Als Sie aus Brüssel zurückgekehrt sind, haben Sie verkündet, dass Sie einen großartigen Erfolg in der Causa Temelín ausverhandelt haben. Das hat Ihnen zu Beginn nicht einmal der Koalitionspartner geglaubt! Sie mussten dann um die Bevölkerung zu überzeugen ein Wochenende lang flächendeckend Inserate schalten, in denen Sie verkündeten, für Österreich gut verhandelt zu haben, um das berechtigte Misstrauen und die berechtigten Ängste, dass hier ein Scheinkompromiss erzielt wurde, zu zerstreuen. (Die Rednerin hält eine Seite des "Standard" in die Höhe, auf der ein Inserat der ÖVP mit dem Titel "Für Österreich gut verhandelt: Sicherheit für Temelín!" zu sehen ist.)
Man muss sich nun in Ruhe vor Augen führen, was denn in diesen Inseraten steht. Was ist denn für Österreich so gut verhandelt worden? Was sind denn diese großartigen Erfolge?
Zuerst springt einem ins Auge: "Umweltminister Molterer: Unser Ziel bleibt der europaweite Ausstieg aus der Atomenergie. Die 3 gefährlichsten Kernkraftwerke in Europa werden geschlossen." Da freut man sich! Eine ganz wichtige Frage allerdings, die sich ein/e aufmerksame/r BeobachterIn sofort stellt, ist: Wann? Wann werden die drei gefährlichsten Atomkraftwerke in Europa geschlossen werden? (Ruf bei der ÖVP: So bald wie möglich!)
Bei meinen Recherchen in der Historie der österreichischen und der europäischen Anti-Atompolitik bin ich bei diesen drei Hochrisikoreaktoren, nämlich Kozloduj, Ignalina und Bohunice wobei Kozloduj und Bohunice grenznahe Atomkraftwerke sind , auf eine sehr Besorgnis erregende Tatsache gestoßen. Herr Bundeskanzler! Diese ist Ihr erstes Versäumnis und Ihr erster großer Misserfolg (Beifall bei den Grünen):
Die Blöcke 1 und 2 von Kozloduj in Bulgarien hätten bereits 1997 abgeschalten werden sollen, die Blöcke 3 und 4 bereits Ende 1998. (Abg. Achatz: Wer war da Bundeskanzler?) Er war Außenminister! Im Kraftwerk Ignalina hätte Block 1 bereits 1998 abgeschalten werden sollen, Block 2 im Jahr 2002. Bohunice, der nach internationaler Bewertung gefährlichste Hochrisikoreaktor, hätte bereits im Jahr 2000 abgeschalten werden sollen. (Abg. Kiss: Abgeschaltet ! Abgeschaltet ! Lernen Sie Deutsch! Deutsch beherrschen Sie nicht, und AKW-Politik beherrschen Sie auch nicht! Peinlich so etwas! Lernen Sie Deutsch!)
Wenn man diese nette Formulierung "Unser Ziel bleibt der europaweite Ausstieg aus der Atomenergie" ernst nimmt und sich die Frage stellt, wann, dann kommt man zu dem Schluss: Wenn das seriös verfolgt worden wäre, dann wäre jetzt zur Jahreswende keiner der Hochrisikoreaktoren mehr am Netz. Tatsache ist aber: Sie laufen alle nach wie vor!
Warum laufen sie alle nach wie vor? Österreich hat es verabsäumt, eine drastische Vorverlegung dieser Schließungsdaten 2006 oder 2008 zu fordern und in dieser Frage massiven Protest einzulegen. Im Gegenteil: Österreich hat sogar zugestimmt, dass es dabei bleibt! (Abg. Dr. Brinek: Wer hat Protest eingelegt? Keiner!)
Diese massiven Versäumnisse, was diese Hochrisikoreaktoren betrifft, werden durch dieses Inserat stark verschleiert. Herr Bundeskanzler! Ihnen muss man den Vorwurf machen, dass Sie es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Das ist unser erster Vorwurf. (Beifall bei den Grünen.)
Erwähnt sei vielleicht noch, dass Feuer am Dach ist, was Bohunice betrifft. Da ist zu befürchten, dass nicht einmal die Schließungsdaten 2006 und 2008 eingehalten werden. Erster Misserfolg: Die gefährlichsten AKWs Europas bleiben sehr viel länger am Netz, als ursprünglich vereinbart worden ist. Es sind Gelder in Sicherheitsnachrüstungen geflossen, die ursprünglich zugesagten Stilllegungsfristen sind nicht eingehalten worden, und Österreich hat keinen Protest eingelegt.
Der zweite Vorwurf ist für das Parlament eine sehr ernste Angelegenheit: Ich habe mir alle Anträge herausgesucht, die der österreichische Nationalrat, sei es in einer Vier-Parteien-Einigung, sei es aber auch in Zwei-Parteien-Einigungen, der österreichischen Bundesregierung mitgegeben hat. Herr Bundeskanzler! Eine sehr traurige Erkenntnis ist, dass der Großteil dieser Anträge von Ihnen ignoriert, nicht erfüllt und nicht einmal wirklich ernst genommen wurde.