Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 178

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Die erste Veränderung heißt: Die Sicherheit Europas hat sich seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der kommunistischen Systeme grundlegend verändert. Europa steht vor einer großen Frage: Wird Europa die Verantwortung für seine Sicherheit selbst übernehmen, oder wird Europa nach wie vor sagen, wir wollen unter der militärischen und sicherheitspolitischen Vormundschaft der USA bleiben (Abg. Dr. Cap: Beides!), wir delegieren die Sicherheitspolitik an die USA? (Abg. Dr. Cap: Beides!)

Wenn wir sagen: Europa ist sicherheitspolitisch unmündig, dann macht es Sinn, eine extra Unmündigkeitserklärung für Österreich zu unterschreiben und zu sagen: Wir treten der NATO bei, denn wir können nichts anderes. Neben dem europäischen Zwerg soll sich der österreichische Kleinzwerg in das Bündnis unter dem Oberbefehl der letzten militärischen Supermacht stellen.

Warum nicht? Wenn man sich nicht mehr zutraut, wenn man keine andere Vorstellung hat, als die eigene Zwergenhaftigkeit und Visionslosigkeit zu beschwören, dann kann man der NATO beitreten. Es ist zumindest eine Möglichkeit – mit Sicherheit die schlechteste.

Deshalb lautet mein Vorschlag: Denken wir doch weiter, was in europäischen Entwicklungen drinnen ist! Denken wir doch weiter: daran, dass längst gemeinsame europäische Sicherheitsstrukturen gewachsen sind – das Politische und Sicherheitspolitische Komitee, der gemeinsame Stab, verschiedene andere Organisationen, das Eurocorps, andere Strukturen zur Durchführung der Petersberg-Aufgaben –, und beantworten wir die Frage, was wir zu unternehmen gedenken, um die völlig fehlende demokratische Kontrolle dieser neuen europäischen Strukturen sicherzustellen! Das kann nicht mehr der österreichische Nationalrat oder das spanische Parlament oder das britische Unterhaus tun. Da gehören neue Rechte her, und das können nur Rechte des Europäischen Parlaments sein! Hier muss europäisiert werden, und das Ziel kann hier nur heißen, auf dem Weg zu einer politischen Union nach der Vollendung der Währungsunion auch zu einer Sicherheitsunion in Europa zu kommen. Das ist ein klares Ziel, das ein Neutraler viel offener artikulieren und viel offener darstellen kann als ein paktgebundener Staat.

In der großen Frage: Ein demokratisches, europäisches Sicherheitssystem oder die Unterstellung dieses Kontinents unter die militärische Vormundschaft der letzten Supermacht? plädiere ich eindeutig für die europäische Perspektive. Jetzt ist die Frage: Welche Antworten geben die Regierungsparteien?

Nehmen wir das Beispiel Euro. Die sicherheitspolitische Position der Freiheitlichen Partei mit der Vorstellung eines europäischen Bündnisses hätte geheißen: Der Weg zum Euro wird als Bündnis der verschiedenen Währungen gegangen. (Ruf: Einiger!) Der Euro ist das Bündnis zwischen Schilling, Pfund, D-Mark und Franc. (Abg. Jung: Das war die Parität, die man sehr lange beibehalten hat!) Das ist offensichtlich etwas unsinnig.

Die ÖVP bietet eine Alternative an, die heißt: Damit wir dem Euro beitreten, muss der Schilling in den Dollar übergeführt werden. Nur wenn der Schilling zum Dollar wird, dann wird irgendwann der Euro herauskommen. Jeder Währungspolitiker würde sich die Haare raufen und würde sagen: Um Gottes Willen, gerade so geht es nicht! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also muss man sich, wenn man etwas gemeinsames Europäisches will, überlegen, wie der Weg dahin zu gehen ist. Und da gibt es die Chance der neutralen und allianzfreien Staaten, die keinem militärischen Kommando unterstehen, die niemandem verpflichtet sind, die etwas Vernünftiges und Solidarisches tun können. Das kann aber kein europäischer Militärblock sein. (Abg. Murauer: Na, was jetzt?) Wir haben schlechte Erfahrungen mit militärischen Blöcken, und es gibt Gründe für die österreichische Neutralität, die auch mit der Geschichte der militärischen Blöcke und ihrer Konfrontationen zu tun haben. Da geht es vielmehr um die zweite Entwicklung dahinter, auf die wir eine zweite Antwort brauchen, und das ist die Frage: Sollen globale Sicherheitsfragen von der letzten verbliebenen Supermacht oder einem neuen globalen System der Rechtsstaatlichkeit beantwortet werden? Das heißt: Vorherrschaft der USA oder ein neues Regime aus UNO, aus Konventionen, aus einem reformierten Sicherheitsrat und aus Mandaten, also nicht nur einer österreichischen Verpflichtung, alle militärischen Einsätze an UN-Mandate zu knüpfen, sondern auch einer europäischen Verpflichtung, einer neuen Qualität der Sicher


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