Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 184

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Wir haben zudem ein klares Bekenntnis zu einer gemeinsamen, zu einer international organisierten Sicherheits- und Verteidigungspolitik abgelegt; in erster Linie auf europäischer Ebene, denn hier, meine Damen und Herren, ist Österreich gleichberechtigt, aber auch gleich verpflichtet als Vollmitglied der Europäischen Union in ein derartiges System der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingegliedert. Das muss man hier klarstellen, und das ist auch wichtig, weil wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass diese Sicherheitsszenarien von einem Staat allein, wie groß er auch sein mag, nicht mehr zu bewältigen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren vor allem von den Sozialdemokraten, muss man schon auch darauf hinweisen, dass die Punkte, die Herr Abgeordneter Einem hier als jene angeführt hat, die es Ihnen unmöglich gemacht haben, dieser gemeinsamen Doktrin zuzustimmen, nicht ganz der Realität entsprechen können. Wenn Sie sagen, Sie sind nicht dafür zu haben, dass die Neutralität aufgegeben wird, gleichzeitig aber sagen, dass für Sie Neutralität nur mehr bedeutet, sich nicht mehr an Kriegen zu beteiligen, dann hätten wir uns ja wohl gefunden, denn niemand in diesem Land möchte, dass Österreich und österreichische Soldaten in Kriege involviert sind, dass wir uns an Kriegen beteiligen, meine Damen und Herren.

Nur: Das ist nicht die Definition der dauernden Neutralität, so wie sie 1955 Österreich als Bedingung für den Staatsvertrag annehmen musste. Die dauernde Neutralität hat auch in Friedenszeiten Vorleistungspflichten für den dauernd Neutralen. Er darf nämlich nicht von Fall zu Fall entscheiden, ob er sich in einem Konflikt beteiligt oder nicht – das kann jeder; jedes NATO-Mitglied kann mit Ausnahme eines Verteidigungsfalles entscheiden, ob es sich an einer Aktion beteiligt oder nicht –, sondern der dauernd Neutrale, so wie Österreich das in seiner Sichtweise gesehen hat oder sehen musste, hat Vorleistungspflichten, dass er signalisiert, dass er sich auf keinen Fall in einen militärischen Konflikt involvieren lässt.

Meine Damen und Herren! Sie wissen ganz genau, dass diese Bedingung für einen dauernd Neutralen spätestens mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht mehr einzuhalten ist. Sie verteidigen hier etwas, was Sie selbst abgeschafft haben, nämlich mit dem Beitritt zur Europäischen Union und mit der damit notwendig gewordenen Verfassungsänderung, dem Artikel 23f Bundes-Verfassungsgesetz. Und es ist ein Widerspruch, ein nicht zu vereinbarender Widerspruch mit den Grundsätzen der dauernden Neutralität, was Sie unter einem Kanzler Klima in die österreichische Bundesverfassung hineingeschrieben haben: dass nämlich Österreich an Kampfeinsätzen zur Friedensschaffung, also gegen den Willen einer der Streitparteien, beteiligt werden kann. Das war nicht zu vereinbaren. Das trauen Sie sich hier nur nicht klar zum Ausdruck zu bringen.

Es ist kein Zufall, dass wir diese Frage des Status quo, die Allianzfreiheit, statt dieses Status der dauernden Neutralität nicht in den Strategieteil hineingeschrieben haben, also in unsere Konzeption für die Zukunft, sondern in die Analyse des derzeitigen Status. Wir beschreiben eine Entwicklung der letzten zehn Jahre, die Sie nachhaltig mitbestimmt haben. Aber das soll man auch gegenüber den Österreichern klar zum Ausdruck bringen. Wir schaffen nichts ab! Wir brauchen die Verfassung nicht zu ändern, sondern wir gestalten das weiter, was Sie letztlich mit Ihrer Beschlussfassung ermöglicht haben, nämlich die volle Teilnahme am Aufbau einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Europäischen Union. Das wird unser Ziel sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Weil Sie immer so von der "bösen" NATO, von den "bösen" Amerikanern reden – das klingt so durch –: Auch wir haben hier klargelegt, dass ein Beitritt zur NATO nur nach einer Volksabstimmung erfolgt. Aber mit einer Fama sollte man hier schon aufräumen: dass in der Zeit des Kalten Krieges Österreich durch seinen völkerrechtlichen Status sicher geblieben ist – auch nicht, und das muss ich auch sagen, durch die hohen militärischen Kapazitäten. Da war man ja auch inkonsequent. Die dauernde Neutralität hätte nämlich auch militärische Strukturen umfasst – wie etwa in der Schweiz –, die uns in die Lage versetzt hätten, uns selbst zu verteidigen.


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