dratur des Kreises strapaziert. Wenn ich heute in der Überschrift der "Oberösterreichischen Nachrichten" lese, dass Genosse Gusenbauer die Neutralität-Neu mit militärischen Einsätzen will, dann muss ich mich fragen: Wo ist die Neutralität, wenn ein militärischer Einsatz geplant ist? Gegen wen ist dieser militärische Einsatz gerichtet? In letzter Konsequenz: Wie bin ich dann neutral? – Es ist die Quadratur des Kreises.
Ich meine, Gusenbauer und Genossen wissen das, auch Dr. Einem. Aber man schnürt in Österreich – fast hätte ich gesagt: ein Mogelpaket der Neutralität, obwohl man weiß, dass diese Neutralität eine andere Entwicklung genommen hat. Man legt in buntem, schillerndem Papier eine Schachtel auf den Gabentisch der Österreicher und hofft, dass niemand hineinschaut. Dann könnte nämlich aufgedeckt werden, dass in dieser Schachtel nicht mehr das drinnen ist, was von der SPÖ in Sachen Neutralität vorgegaukelt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Herr Dr. Einem! Daraus, dass Sie gesagt haben, Sie sind gegen eine Kriegsbeteiligung und deswegen für die Neutralität, möchte ich nicht schließen, dass alle anderen für die Kriegsbe-teiligung sind. (Abg. Dr. Einem: Umso besser!) Ich hoffe, Sie wollten das nicht suggerieren; sonst müsste ich hier sehr vehement widersprechen, das wissen Sie.
Sie sprechen sich so heftig dagegen aus – Kollege Gaál hat das auch getan, jetzt ist er leider Gottes hinausgegangen, und der einzige Vertreter, der noch hinter den Verhandlungen steht, ist Dr. Einem (Abg. Kiss: Die kommen alle abhanden!) –, nur weil die Regierung die Realität der Sicherheitspolitik, auch Europas, zur Kenntnis nimmt: dass es eine NATO gibt, dass wir uns selbstverständlich mit dieser NATO auseinander zu setzen haben und sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir uns danach ausrichten müssen und im Ernstfall froh sein müssen, wenn wir die NATO in letzter Konsequenz für uns haben. Wenn wir diese NATO so definieren, dass wir sie im Auge behalten wollen, dann erklären Sie der Öffentlichkeit: Wir können dieser Doktrin nicht zustimmen, weil die österreichische Regierung, und die ÖVP im Besonderen, den NATO-Beitritt und die Abschaffung der Neutralität will. – Ich meine, das ist eine sehr einfache, um nicht zu sagen: äußerst primitive Argumentation.
Herr Dr. Einem, es ist Realitätsverweigerung, wenn Sie unserer Bevölkerung, den Österreichern, in diesem Zusammenhang etwas vormachen, was einfach nicht stimmt. Das Schlimme daran ist, dass Sie dies hier wider besseres Wissen behaupten. Wenn Sie auch darauf aufmerk-sam machen, dass es Strecken gegeben hat ... (Abg. Dr. Einem spricht mit einem Bediensteten der Parlamentsdirektion.) – Entschuldigung, dass ich Sie unterbrochen habe! Da in der Sozialistischen Partei nur noch einer da ist, der sich um die Sicherheitspolitik kümmert, sollte er nicht in eine Unterhaltung hineingezogen werden.
Sie haben gesagt, es hat Strecken gegeben, da konnte man wirklich meinen, es könnte einen Konsens geben; darin möchte ich Ihnen zustimmen. Kollege Spindelegger hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass dies unserer Meinung nach tatsächlich der Fall war und auch Ihre Beiträge in den Verhandlungen durchaus in diese Richtung gezeigt haben. Aber wir erinnern uns auch daran, dass wir gerade dann, wenn solche Gespräche stattgefunden hatten, vor der nächsten Sitzung eine Presseaussendung zur Kenntnis nehmen mussten, in der Genosse Guger-, nein, Gusenbauer, Genosse Fischer ... (Abg. Gaál: Gugerbauer?) Es kann auch Guger-bauer sein, Kollege Gaál, das spielt keine Rolle. – Man hat uns wissen lassen: Diese Doktrin findet keine Zustimmung! – Das ist der Verlauf der Diskussion gewesen, und deswegen sind wir davon überzeugt, dass der Wille vorhanden war, Sie aber leider zurückgepfiffen worden sind.
Geschätzte Damen und Herren! Diese Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin bedeutet schon vom Namen her einen Unterschied. Wir hatten bisher eine Landesverteidigungsdoktrin und sind jetzt dazu übergegangen, eine umfassende Sicherheitsdoktrin zu formulieren. Das bestätigt auch, dass neben der Landesverteidigung – dem Schwerpunkt Landesverteidigung, den Kollege Gaál als Wehrsprecher als zu ausgeprägt empfand –, neben dem Landesverteidigungsmi-nisterium auch das Außen- und das Innenministerium befasst waren. Daher sieht man schon im Ansatz, dass eine neue Sicherheitspolitik das Ziel dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist, sodass es keine Landesverteidigungsdoktrin mehr ist, Kollege Gaál.