An den Beratungen im Ausschuss hat von seiten der Regierung nur der Verteidigungsminister teilgenommen. Heute sitzt wiederum nur der Verteidigungsminister auf der Regierungsbank. (Abg. Murauer: Das stimmt ja nicht! Die Frau Außenministerin hat teilgenommen, der Herr Innenminister hat teilgenommen! Waren Sie da nicht im Ausschuss?) Als Herr Kollege Jung gesprochen hat, hat er für die Umsetzung der Verteidigungsdoktrin beziehungsweise der so genannten Sicherheitsdoktrin nur dem österreichischen Bundesheer besonders viel Glück gewünscht. (Abg. Jung: ... war der Verteidigungsminister da!) Das heißt, die Sprache ist klar. Sie haben sich längst von einer allgemeinen, einer wirklich umfassenden Definition von Sicherheit verabschiedet und sich rein auf die militärische Sicherheit konzentriert. (Abg. Jung: Haben Sie das auch gelesen?) Das war für Sie das Ziel und das Einzige, was Sie offensichtlich wirklich interessiert hat. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Murauer: Sie haben es nicht gelesen!)
Zur Frage sozialer Sicherheit, zur Frage von echter Krisenprävention in einem umfassenden Sinn – nicht nur wahrgenommen vom Bundesheer, wie sich Herr Kollege Jung das wünscht – finden Sie nichts dort, wo beschlossen wird. Sie finden einige schöne Erklärungen in der Einleitung, aber es ist eben ein Unterschied zwischen dem, was in der Einleitung steht, und dem, was dann im ausführenden Teil enthalten ist.
Sie haben die Chance verpasst, eine wirklich umfassende Sicherheitsdoktrin zu schaffen, die nicht nur das Innenministerium, das Verteidigungsministerium und das Außenministerium in ein Boot bringt, sondern wirtschaftliche und soziale Fragen für die Prävention – natürlich für die Krisenprävention – zentral in eine Sicherheitsdoktrin mit integriert. Meine Damen und Herren! Und wenn Sie es bei Ihrem eigenen Antrag nicht glauben – mir scheint es fast so zu sein –, dann lesen Sie doch bitte das Kapitel "Teilstrategien". Lesen Sie das Kapitel "Außenpolitik", und schauen Sie sich an, wie viele Punkte davon sozusagen in militärischer Relevanz liegen und welche zumindest mit einem umfassenden Außenpolitikbegriff irgendetwas zu tun hätten.
Wenn Herr Kollege Murauer, der vorhin von Prävention, die da so großartig im Mittelpunkt dieser Sicherheitsdoktrin stehen würde, geschwärmt hat, dann möchte ich ihn schon fragen, ob er nicht den falschen Zettel mitgenommen hat und in Wirklichkeit eine gesundheitspolitische Stellungnahme vom Herrn Kollegen Grünewald in der Hand hatte, als er über Prävention gesprochen hat. Prävention in echtem Sinne ist nicht ausreichend berücksichtigt, nicht so umfassend betont, wie Sie das ursprünglich angekündigt hatten. Verpasste Chancen auf der ganzen Linie! So ist das nicht akzeptabel, natürlich auch nicht für uns! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Murauer: Haben Sie das überhaupt gelesen?)
Der zweite Punkt in dieser Doktrin, der mich gehörig ärgert, ist schon allein die Überschrift "Von der Neutralität zur Solidarität". (Abg. Murauer: Und da finden Sie Prävention nicht?) Jemand, der Solidarität überhaupt nur mehr militärisch verstehen kann, Herr Kollege, jemand, der unter Solidarität nur die Beteiligung an Kampfeinsätzen versteht, hat wahrscheinlich irgendetwas in seiner Sozialisation verpasst, als es darum gegangen ist, solidarisch zu sein und das auch in der Praxis zu lernen und zu üben.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne Präventionsbegriff kommt man heute in einer sicherheitspolitischen Debatte nicht aus, ist eine sicherheitspolitische Debatte überhaupt nicht zu führen.
Und nun bin ich beim Kernbegriff der Auseinandersetzung, weil Sie das ja so wunderschön weiterentwickeln: von der Neutralität zur Solidarität! Ja, genau wir als neutrale Staaten hätten die größte Chance, die größte Möglichkeit nicht nur der Beeinflussung der sicherheits- und militärpolitischen Debatte in Europa in Richtung eines neuen Verteidigungssystems, eines neuen europäischen Sicherheitssystems, sondern wir haben jetzt, meine Damen und Herren, die größten Chancen im Hinblick auf eine aktive Neutralitätspolitik, auf eine aktive Friedens- und Krisenpräventionspolitik. Das ist allerdings schwierig und kostspielig, und deswegen wollen Sie es nicht tun. Sie sind aber sehr wohl bereit, sehr viel Geld für sinnlose Abfangjägerankäufe auszugeben. (Beifall bei den Grünen.)