Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 91. Sitzung / Seite 78

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Das Problem, das wir mit dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz hatten – und das haben wir noch immer, das wird auch durch den Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Kollegen sehr deutlich –, ist, dass dieses Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz nicht differenziert, ob im Zweiten Weltkrieg willentlich oder unwillentlich für eine feindliche Macht gearbeitet wurde. Denn: Sind wir das erste Opfer, Herr Abgeordneter Bruckmann, dann waren die Soldaten, die damals für die Deutsche Wehrmacht eingezogen wurden, für eine falsche Wehrmacht unterwegs, leider, aber sie mussten das tun, und es gibt keinen Grund, darüber irgendwie zu polemisieren. Aber es waren leider auch viele Österreicherinnen und Österreicher bei dieser Wehrmacht, die das gerne wollten, die bei besonderen Einheiten tätig waren: bei der Waffen-SS, der SS et cetera.

Obwohl Sie eine entsprechende Bestimmung in das Gesetz aufgenommen haben, können Sie nicht ausreichend sicherstellen, dass genau diese Personen nicht auch in den Genuss dieser Entschädigung kommen.

Der Abänderungsantrag, den die sozialdemokratische Fraktion eingebracht hat, sieht vor, dass jene, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen haben, immerhin für Österreich an einem Krieg teilgenommen haben, auch in den Genuss der Entschädigung kommen. – Das wäre folgerichtig! Es kann doch nicht sein, dass wir nur jene, die an einem Krieg für die Deutsche Wehrmacht teilgenommen und in Gefangenenlagern gelitten haben, mit dieser Entschädigung ausstatten wollen.

Deshalb, Herr Abgeordneter Bruckmann, wäre es uns auch wichtig gewesen, dass Sie in diesem Zusammenhang etwas für die anderen, die nicht nur Opfer des Krieges, sondern Opfer des Nationalsozialismus waren, tun. Aus diesem Grund haben wir schon im Ausschuss einen Entschließungsantrag eingebracht, den ich auch jetzt hier im Plenum einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Anpassung des im EStG vorgesehenen Freibetrags für InhaberInnen von Amtsbescheinigungen und Opferausweisen nach dem Opferfürsorgegesetz 1947

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen sowie für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestens einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, mit dem der Freibetrag nach § 105 EStG entsprechend der Erhöhung der Verbraucherpreise seit 1986 angepasst wird. Der Gesetzesvorschlag hat weiters eine automatische und jährliche Anpassung vorzusehen.

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Wenn man das Kriegsgefangenengesetz haben will, dann muss man auch etwas für die Opfer tun. Wenn man das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz haben will – und es gibt gute Gründe dafür, das gebe ich auch zu, Herr Abgeordneter Bruckmann –, dann darf man nicht nur jene mit einer Prämie belohnen, die im Zweiten Weltkrieg tätig waren, sondern dann muss diese Entschädigung für jene, die gelitten haben, auch für jene gelten, die im Ersten Weltkrieg tätig waren, denn damals war es nicht die Deutsche Wehrmacht, für die die Menschen in den Krieg ziehen mussten.

Wenn wir hier schon als Republik Österreich Handlungen setzen, dann bitte auch solche, die mit unserem Bild über diese Republik und über unsere Vergangenheit einigermaßen konform gehen, damit wir auch mit Würde und Anstand für die Opfer des Nationalsozialismus darauf zurückblicken können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.16


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