Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 143

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Ich möchte einen der wenigen Punkte ansprechen, auf den Sie zwar konkret geantwortet haben, gleichzeitig die Antwort aber dazu benutzt haben, die frühere Regierung zu kritisieren, der Sie ja bekanntlicherweise auch angehört haben, wenn ich Ihrer Erinnerung nachhelfen darf.

Sie haben nämlich behauptet, dass die Abgabenquote im Jahr 1997 mit 46,5 Prozent die höchste gewesen sei. – Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass Sie die hervorragenden Unterlagen des Bundesfinanzministers lesen, die ja auch diesem Hause vorliegen. Ihnen könnten Sie entnehmen, und zwar im Arbeitsbehelf zum laufenden Budget auf Seite 279:

Die Steuer- und Abgabenquote betrug im Jahr 1997 44,8 Prozent – nicht 46,5 Prozent, wie Sie gesagt haben –, später 44,5 Prozent, dann 43,6 Prozent, und jetzt haben wir nach der EU 47,1 Prozent. (Abg. Böhacker: Das ist unfair! Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!) – Wir haben nach der eigenen Zählung 45,1 Prozent. (Abg. Böhacker: Das ist unfair!)

Das heißt, es ist richtig, dass wir jetzt die höchste Steuerquote in der Geschichte haben. Sie hätten, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Ihrer Übung treu bleiben und auch in dieser Frage nicht konkret antworten sollen, weil Sie ganz einfach die Fakten, die dieses Land in der Tat beschäftigen, nicht kennen. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Klubobmann Dr. Khol hat von einer "Phantombilanz" gesprochen. Die Österreicher werden sich über diese Art "Phantombilanz" freuen. Die wirtschafts- und sozialpolitische Bilanz dieser Bundesregierung ist in der Tat erschreckend: Das Wirtschaftswachstum ist gedrittelt. Die Inflation hat sich vervierfacht. Die Steuern waren noch nie so hoch wie jetzt.

Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, kritisieren die Fakten betreffend die Stadt Wien. Wissen Sie – aber ich glaube, dass Sie das auch nicht wissen, daher sage ich es Ihnen –, dass diese Budgetkonsolidierung das Budget der Stadt Wien jährlich 5 Milliarden Schilling kostet? – Da diese Stadt nach wie vor zu einer der sozialsten Städte gehört, sind Nachjustierungen notwendig, weil Sie versuchen, die soziale Dimension nicht nur in Österreich, sondern auch in einer der sozialsten Städte Europas zu zerstören. Das möchte ich Ihnen auch in aller Deutlichkeit gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben nicht nur die höchste Steuerquote, sondern betreiben auch massiven Sozialabbau. Die Arbeitslosigkeit steigt massiv. – Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Auf einen Punkt möchte ich auch aufmerksam machen: Erstmals seit 1993 geht die Zahl der Arbeitsplätze in Österreich zurück. Die Zahl der Beschäftigten sinkt nach den Prognosen, die wir für das Jahr 2002 haben. Das sind die Fakten! Das ist keine Phantombilanz, Herr Klubobmann Khol! Das ist ganz einfach eiskalte Politik, die Sie gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen in diesem Lande betreiben. Und das ist Gegenstand der Debatte, die wir hier führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist richtig – und kein Mensch macht Ihnen diesbezügliche Vorwürfe –, dass Sie im Hinblick auf die rezessiven Erscheinungen, die wir derzeit weltweit bemerken, nicht allein Schuld haben. Aber es ist interessant, dass überall, also nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten, gegengesteuert wird. Sie aber haben monatelang darüber diskutiert – ich zitiere verschiedene Aussagen von Ihnen –, ob es sich um ein "Flaute auf hohem Niveau" (Abg. Mag. Schweitzer: Zitieren Sie bitte richtig!), um eine "krisenhafte temporäre Erscheinung", was auch immer das sein möge, oder um eine "Wachstumsdelle" handelt.

Wahr ist, dass Sie zugeschaut haben. Man weiß bereits seit Mai, dass die wirtschaftliche Situation schlechter wird, und Sie haben nicht gegengesteuert. Und das werfe ich Ihnen extrem und massiv vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie erzählen dem Nationalrat immer, wie wir in der Europäischen Union gelobt werden. Wir werden in der Europäischen Union angeblich nichts anderes als gelobt. Es ist interessant, wie differenziert Ihr Mitteilungsbedürfnis ist. Herr Staatssekretär Finz hat gesagt, er werde für die Budgetkonsolidierung gelobt. Im jüngsten Bericht der EU-Kommission steht aber:

Die Budgetpolitik der österreichischen Regierung schränkt die private und öffentliche Nachfrage ein. Die Kaufkraft ist durch die Steuermaßnahmen und die hohe Inflation erdrückt worden.


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