Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 116

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gemeinsamen Europa hin und wieder auch um ein Europa der Lobbyisten handelt, ist natürlich vorhanden und wird auch immer wieder verstärkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Es entsteht für uns als Bürger eines kleinen Landes auch immer wieder der Eindruck, dass es sich um ein Europa der Großen handelt, nicht um eine Gemeinschaft des Rechts und nur des Rechts. Wenn Große etwas wollen, dann ist es durchaus so, dass dieses Recht, das für Kleine gelten soll, für die Großen unter Umständen nicht gilt.

Ich erinnere mich an einen jüngsten Anlass, als es darum ging, einer rot-grünen Bundesregierung in Deutschland den "blauen Brief" zu übersenden, weil diese rot-grüne Bundesregierung Deutschland an den Rand des Ruins geführt hat mit der unsäglich schlechten Politik, die dort von Rot-Grün gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es war für mich als Bürger eines kleinen Landes ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) Frau Kollegin Glawischnig, wenn Sie auf Seiten der Großen sind, wenn Sie auf Seiten Schröders sind, auf Seiten Blairs sind, die immer wieder das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bevorzugen, dann kommen Sie heraus und sagen Sie das! (Abg. Dr. Glawischnig: Ja, das werde ich!) Ich bin für das Europa, in dem alle Länder das gleiche Recht haben – egal, wie groß oder klein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es kann nicht sein, dass ein Land, nur weil es klein ist, mit Sanktionen belegt wird, und es kann nicht sein, dass ein Land, nur weil es groß ist, die Kriterien, die insbesondere von diesem Land bestimmt wurden, die von ihm selbst so stark beeinflussten und damit aufgestellten Kriterien, auf die man immer so besonderen Wert gelegt hat – ich erinnere an Finanzminister Waigel, der sich hier immer hervorgetan hat –, auf einmal nicht einhalten muss. Deshalb entsteht bei der Bevölkerung in Österreich und auch in anderen kleinen Ländern – vielleicht war das auch ein Grund für die Iren, Nizza abzulehnen – der Eindruck, dass es sich hier um ein Europa der Eliten, um ein Europa der Lobbyisten, um ein Europa der Großen handelt.

Wir, Herr Bundeskanzler, unsere Vertreter im Konvent haben alles zu tun, damit wir diesen Eindruck verwischen, aber dann heißt es auch für uns, klar Politik im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher zu machen. Das ist besonders wichtig, wenn wir in Hinkunft glaubwürdig sein wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Einberufung des Konvents ist ein erster Schritt in diese Richtung, aber ich glaube, Herr Bundeskanzler, dass neben den definierten Aufgaben – eine neue, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten, die Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente, die Klärung des rechtlichen Charakters der Charta der Grundrechte und die Vereinfachung der Verträge – auch andere Tätigkeitsbereiche aufgemacht werden sollen. Man sollte sich auch mit Lösungsmöglichkeiten für alle gegenwärtigen Probleme beschäftigen, Herr Bundeskanzler, zum Beispiel mit der Reform der Außen-, der Agrar-, der Regional-, der Energie- oder Verkehrspolitik. Man sollte den Konvent zumindest vordenken lassen, wenn es darum geht, tragfähige Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft zu erarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich, Herr Bundeskanzler, ist es so, dass dieser Konvent nur Optionen liefern kann, Optionen zur Auswahl, aber ich glaube, es wäre eine sehr, sehr vornehme Aufgabe für den Konvent, auch diese Probleme anzudenken und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Herr Bundeskanzler! Eine Europäische Union, wie wir Freiheitliche sie uns vorstellen, muss wesentlichen Grundsätzen gerecht werden wie etwa dem, dass es sich bei diesem Europa um ein Europa der Nationen handelt, um ein Europa der Bürger. Es darf keinen europäischen Einheitsstaat, es darf keinen zentralistischen Bundesstaat geben. Aber ich glaube, in dieser Frage sind wir uns einig. Die Erhaltung der nationalen Identitäten und der kulturellen Vielfalt, also die Einheit in der Vielfalt, ist uns Freiheitlichen ein ganz besonderes Anliegen. Die Gleichberechtigung – ich habe das bereits einleitend erwähnt – souveräner Staaten muss gewährleistet sein, unabhängig von der Größe. Es darf die Dominanz einiger Großer nicht geben. Es


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