Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 127

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noch wird dieser den Anforderungen einer erweiterten und damit erheblich heterogenen Union gerecht. Er zerstört nur die historisch gewachsene Vielfalt.

Zum Europäischen Parlament: Hier kann ich klar und deutlich sagen: Das Europäische Parlament ist kein Vollparlament, und ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie es unter der gegenwärtigen Konstruktion zu einem solchen werden soll. Entweder man gibt ihm die volle demokratische Legitimation – dann heißt es eine Stimme zu einer Stimme, wodurch die kleinen Staaten nichts mehr zu reden hätten –, oder man belässt ihm nur bestimmte Aufgaben, wie sie jetzt bestehen. Da sind wir durchaus dafür, die Kontrollaufgaben des Europäischen Parlaments gegenüber der Bürokratie zu verstärken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sehen die Kommissare als Spitzenbeamte der Europäischen Union und nicht als deren Minister. Wir lehnen daher jegliche Tendenz, die Kommission zu einer europäischen Regierung zu entwickeln, ab.

Ähnlich wie der Herr Bundeskanzler sehen wir die Position der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Da ist ein wirklicher Spielraum für Europa gegeben, ein Bereich, der gemeinsam bewältigt werden muss. Allerdings muss sich der oberste Bereich der Union darüber auch einig werden. Wie wichtig so eine Position ist, zeigt sich gerade jetzt bei der Frage des Nahen Ostens, wo Europa zwar der große Zahler ist, aber politisch nichts zu reden hat, aber auch bei den europäischen Differenzen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, was unter anderem den Iran oder den Irak gegenüber den USA betrifft.

Wir sind – und das ist sehr, sehr wichtig – für die Beibehaltung des Vetorechts, weil nur das Veto als letzte Möglichkeit verbleibt, sehr wichtige Interessen zu verteidigen und Entwicklungen zu verhindern, die für unser Land schwerwiegende negative Folgen oder Auswirkungen mit sich bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird oft kritisiert, wenn man auf dieses Recht zurückgreifen will, aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wozu ist es in den Vertragsbestimmungen der Union verankert, wenn man nicht dann, wenn es notwendig ist, darauf zurückgreifen kann? Das ist einfach eine Notwendigkeit.

Die Osterweiterung hat mein Kollege schon angesprochen. Sie muss solide und fundiert sein. Wir haben nichts gegen die Osterweiterung, aber sie muss verträglich für uns, aber auch für die Erweiterungsstaaten selbst erfolgen. Eine überhastete Erweiterung würde auch deren Ökonomie zu sehr belasten und zum Ausverkauf ihrer Wirtschaft und zu einer Wanderungsbewegung von Arbeitskräften im bisherigen grenznahen Raum führen, die für beide Bereiche nicht gut wäre.

Bis zur Erfüllung der wirtschaftlichen Voraussetzungen in diesen Staaten wird noch viel Aufbauarbeit notwendig sein. Dafür können auch finanzielle Hilfeleistungen von der Gemeinschaft erfolgen – es geschieht ja auch. Der bisherige Topf dafür darf aber nicht aufgestockt werden. Es muss eine Umwidmung der Mittel weg von den bisherigen Empfängerstaaten erfolgen. Schließlich können Länder, die für sich Euroreife beanspruchen, nicht auf Dauer das Recht haben, finanzielle Stützungen zu verlangen. Einen realistischen Zeitpunkt für die Vollmitgliedschaft der neuen Staaten sehen wir kaum vor sechs bis acht oder vielleicht auch zehn Jahren.

Die Union ist ihren Weg in letzter Zeit etwas überhastet gegangen. Es gilt, das Tempo zu vernachlässigen und mehr auf die Tiefe Wert zu legen und das zu ordnen, was manchmal auf die Seite geschoben wurde. Europa soll sich auf der Vielfalt und Bürgernähe, auf der Gleichberechtigung der Mitglieder und ihrer Eigenverantwortung gründen.

Die Europapolitik berührt immer mehr das tägliche Leben der Bürger, sodass sie oft den Charakter einer europäischen Innenpolitik erhält. Allerdings stellt sich zunehmend die Frage, ob das immer weitere Vordringen der Europapolitik in das Lebensumfeld der Bürger in allen Fällen notwendig, gerechtfertigt oder auch zielführend ist. Die EU-Organe und viele so genannte Europapolitiker verstehen trotz Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip vielfach jedes Problem in


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