Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 129

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten uns auch offensiv beschäftigen mit der Verankerung des Prinzips – es gibt dafür leider noch kein besseres deutsches Wort – der allgemeinen Daseinsvorsorge oder, wie das im Englischen bezeichnet wird, "services of general interests". Wir sagen gemeiniglich auch Gemeinwirtschaft dazu. Ich glaube, es geht im Wesentlichen um die Frage: Stellen wir den Bürgern Europas an jeder Stelle, an jedem Ort, ob er klein oder groß ist, Gemeinschaftsleistungen zu vertretbaren Preisen zur Verfügung, oder entwickelt sich in Europa ein Prozess, der so aussieht, dass unter dem Titel Wettbewerb in Wirklichkeit nur die Hauptstrecken, die wirklich profitablen Gegenden von der allgemeinen Daseinsvorsorge betroffen sind? Also auch das ist aus meiner Sicht ein Auftrag an den Konvent, "services of general interests" oder die allgemeine Daseinsvorsorge, wie das auf Deutsch heißt, mit einzubringen.

Es geht aber auch um das Sicherstellen der sozialen Union. Nehmen wir nur als Beispiel her: Würde man alle Arbeitslosen, die derzeit in der Europäischen Union ohne Arbeit sind, zusammennehmen, dann wäre das die sechstgrößte Nation der Europäischen Union. Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, welche Wirtschaftskraft in einem solchen "Land" stecken würde, würde man auch diesen Menschen Arbeit verschaffen können!

Damit verbunden geht es auch um europäische Arbeitsrechtsnormen. Wir haben das jetzt gerade anhand ganz konkreter Beispiele sehen können, etwa am Frächterskandal in Luxemburg, wo die Luxemburger Regierung sagt, Luxemburg habe eben diese Rechtsnorm. Die holländische Regierung hat eine ähnliche Rechtsnorm, die britische Regierung hat eine ähnliche Rechtsnorm, und die schwedische Regierung hat eine ähnliche Rechtsnorm. Es ist in Wirklichkeit Sklaverei, was hier betrieben wird, und dagegen müssen wir meiner Meinung nach gemeinsam auftreten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht auch um die globale Rolle der Europäischen Union. Setzen wir die globale Rolle der Europäischen Union auch dafür ein, dass bei WTO- oder OECD-Verhandlungen herauskommt, dass zum Beispiel "Fair Trade" wirklich "Fair Trade" bedeutet und die Bekämpfung der Kinderarbeit nicht Einzelstaaten überlassen wird, sondern eine gemeinsame Aktion der Europäischen Union daraus wird. Das ist meiner Meinung nach auch in den Grundrechtsfragen mit zu berücksichtigen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. In knapp sieben Stunden wird diese Währung die einzige Währung sein, die in Österreich gültig ist. (Der Redner hält einen 10-€-Schein in die Höhe.) Sie ist zustande gekommen, weil zwölf Staaten der Europäischen Union sich auf ein Ziel geeinigt haben. Dieselben zwölf Staaten mit drei anderen haben sich vor wenigen Jahren auch auf ein Wachstumsziel und ein Beschäftigungsziel geeinigt. Ich frage mich: Warum haben wir das erreicht, und warum heißt es bei den anderen noch warten? Arbeiten wir daran, dass wir auch in den anderen Bereichen mit der gleichen Geschwindigkeit arbeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

16.46

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Unser Ziel, sehr geehrte Damen und Herren, muss ein großes und starkes Europa sein, das seinem Erbe, seiner Verantwortung für die Zukunft gerecht wird und die Akzeptanz der Bürger findet. Dazu muss die Europäische Union demokratischer, bürgernäher und transparenter aufgebaut werden. Sie muss sich auf jene Aufgaben konzentrieren, die nur europäisch gelöst werden können. Dies macht sowohl die Übertragung weiterer Zuständigkeiten auf die Europäische Union als auch die Rückübertragung derzeitiger Zuständigkeiten von der Europäischen Union auf die Mitgliedstaaten erforderlich.

Die Fähigkeiten, in der Europäischen Union zügig zu entscheiden und zu handeln, müssen wesentlich verbessert werden. Akzeptanz für politische Entscheidungen kann nur dann entstehen, wenn für die Bürger klar erkennbar ist, wer für welche Entscheidungen verantwortlich


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