Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 198

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justizpolitischen Diskussion nicht mitverfolgt habe, sondern wo die Rechtsanwaltskammer etwas eingerichtet hat, was seit 1. Jänner läuft, und jetzt wird es in der Zivilverfahrens-Novelle nachvollzogen.

Ich meine, dass dieser Schritt deshalb verfehlt ist, weil die grundsätzliche Diskussion zu dieser Frage fehlt. Ich habe in einer interessanten Zeitschrift gelesen, wie Frau Dr. Scheuba das begründet hat: und zwar damit, dass die prinzipielle Frage, wenn etwas billiger und auf jeden Fall schneller ist, die staatliche Justizdienstleistung in Frage stellt.

Jetzt muss ich Sie als obersten Chef, als oberste Verwaltungseinheit und als den für Personal und für Ressourcen Zuständigen fragen: Ist das der richtige Weg, die Justiz in gewisser Hinsicht an Ressourcen "auszuhungern" – ich formuliere es deshalb so drastisch, um zu zeigen, wohin das führen kann –, nur weil andere sagen: Wir sind schneller, wir sind billiger, denn wir haben mehr Computer, wir haben Sekretärinnen, die effizienter arbeiten, weil sie besser bezahlt sind!?

Das kann wohl nicht der richtige Weg sein! Aber ich möchte mit dieser Anmerkung, Herr Bundesminister, eine Diskussion anregen. Die Anregung, diese Diskussion auch zu führen, gebe ich auch an die Frau Vorsitzende des Justizausschusses weiter. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

19.58

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Überlegungen von Frau Stoisits über die Größe und Bedeutung der Reformwerke der Ära Broda und der Ära Böhmdorfer werde ich nicht weiterverfolgen, weil mir nicht so viel Redezeit zur Verfügung steht, aber irgendwann in ein paar Jahren werde ich wahrscheinlich rückblickend sagen können: Beides probiert, kein Vergleich! – Aber nun zurück zu dem so genannten großen Reformwerk, das heute vorliegt.

Die Novelle zum Zivilverfahren und die Novelle zum Insolvenzrecht zeigen, dass bei der Opposition, bei der SPÖ, wenn sie zu ernsthaften, sachlichen Gesprächen und Klarstellungen eingeladen wird, auch die Bereitschaft besteht, einen Konsens zu finden und zu gemeinsamen Anträgen und einem gemeinsamen Vorgehen zu finden. Das, Herr Minister – das betone ich –, erwarte ich, seit Sie Ihre Amtstätigkeit aufgenommen haben. Das sind wir auch im Justizausschuss beziehungsweise in Bereichen von Justizmaterien gewöhnt gewesen: dass eine gemeinsame Vorgangsweise gesucht und gefunden wurde.

Einigkeit ist in diesem Bereich wesentlich, und nicht so wie in der Vergangenheit: Drüberfahren und "speed kills" – das lassen Sie mich auch noch anmerken.

Wenn man sich natürlich die Zahlen der Verfahren im Bereich des Insolvenzrechts anschaut, dann bekommt man Bedenken und erschrickt leicht. Nachdenklich wird man, wenn man die Zahlen hört, die Herr Kollege Trinkl nennt, denn ich habe den Kreditschutzverband gefragt, und man hat mir Gegenteiliges gesagt, nämlich dass 2001 insgesamt 8 949 Privatkonkurse und Unternehmenskonkurse entstanden sind, dass die Zahlen sowohl bei den Unternehmensinsolvenzen als auch bei den Anträgen auf Privatkonkurse steigen und dass für 2002 noch eine Steigerung von 10 Prozent zu erwarten ist.

Wenn man über die Ursachen nachdenkt, dann kommt man zu dem Schluss, dass die Bundesregierung daran nicht ganz schuldlos sein dürfte. Im Gegenteil, durch die Politik der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung wird die Situation der österreichischen Staatsbürger noch verschärft, denn Sie haben die privaten Haushalte extrem belastet: jede ArbeitnehmerIn und jede PensionistIn mit rund 7 500 S beziehungsweise 541 €.

Sie haben weiters die Arbeitslosen und die NotstandshilfebezieherInnen belastet. Da haben Sie abkassiert! In der Arbeitsmarktpolitik hingegen sind Sie untätig geblieben und haben von dort


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