Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 160

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Dann war Nizza da, man hat sich dort freudig applaudierend erhoben, und nichts ist im Übrigen dabei herausgekommen. Das heißt, es muss eines unserer Hauptanliegen sein, zu schauen, dass wir inhaltlich, wo auch immer, auf dem Sektor der Menschenrechte etwas weiterbringen, und Menschenrechte heißt nach meinem Dafürhalten in erster Linie, sich um die Möglichkeiten, Rechte und Berechtigungen der Schwächeren zu kümmern, der Kleineren, der Minderheiten zu kümmern, der Volksgruppen, die in der Regel Schwächere sind.

Aber da sind alle anderen Länder besonders empfindlich. Ich zähle sie auf: Besonders die Franzosen und die Spanier wollen überhaupt kein Wort von solchen Dingen wissen. Und die anderen sind zwar geschickter und vorsichtiger in ihren Äußerungen, bis zu den Deutschen und auch den Skandinaviern, was mich besonders enttäuscht hat, aber herausbringen tut man bei niemandem etwas.

Es geht mir auch darum, nicht nur qualitativ weiter in die Materie einzudringen und sie auszubauen, sondern uns auch der geographischen Ausdehnung nach nicht nur – obwohl uns das natürlich besonders am Herzen liegt – auf die Staaten der Europäischen Union zu konzentrieren, sondern auch auf das übrige Europa, vor allem auf die Beitrittskandidaten, und in einem weiteren Kreis auf den "Rest der Welt", wobei ich das Wort "Rest" nicht abwertend verstehen möchte.

Wir machen uns ja überhaupt keine Vorstellungen davon – oder verschließen absichtlich die Augen –, was es in anderen Bereichen dieses Kontinents, ja überhaupt der Erde gibt. Wir müssen uns auch darum kümmern, dass die Dinge nicht nur auf dem Papier stehen. Papier ist ja geduldig, da kann man alles draufschreiben, man kann Beschlüsse fassen, man kann sich beweihräuchern, Blumen überreichen, Tränen vergießen, aber am Schluss ist es nicht durchsetzbar.

Es muss auch darum gehen, dass Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit besteht. Und in Europa müssen wir da ganz an der Spitze stehen. Und wir müssen auch wissen, erkennen und aussprechen, dass es in Menschenrechtsdingen keine Verjährung gibt. Natürlich betrifft uns Österreicher das ganz besonders, weil wir auf diesem Sektor, auf der passiven Seite offene Rechnungen haben. Es gibt Hunderttausende Mitbürger in unseren Reihen, die Opfer von schwersten Menschenrechtsverletzungen geworden sind: Ich erinnere nur an die schon so oft strapazierten Beneš-Dekrete und an die AVNOJ-Bestimmungen, die Hunderttausende ums Leben und Millionen Menschen entschädigungslos um ihr gesamtes Eigentum und um ihre Staatsbürgerschaft gebracht haben.

Aber auch an ältere Rechnungen müssen wir uns erinnern, wie etwa an die der Armenier. Die Armenier bemühen sich derzeit – nicht ohne Erfolg –, Überzeugungsarbeit auch in Österreich dahin gehend zu leisten, dass ihnen fürchterliches Unrecht passiert ist. Dafür sind wirklich nicht wir in erster Linie zuständig, aber es soll als Beispiel dafür dienen, dass solche Sachen nicht vergessen werden sollen und dass sie vor allem nicht verjähren können. Niemand kann damit kommen, dass er sagt, das ist schon 50 Jahre her. – Bei uns ist auch manches 50 Jahre her, bei den Armeniern ist es halt 70 Jahre oder mittlerweile 85 oder 87 Jahre her, aber es ist Unrecht, und die Betroffenen oder ihre Nachkommen haben das Recht, sich mit diesen Dingen auseinander zu setzen.

Ich wehre mich auch dagegen, dass wir still schweigen – die Zeitungen und wir selber auch –, wenn die Mächtigen Unrecht setzen und bei dieser Gelegenheit noch höhnisch lachen. Ich habe gerade wieder in einer Zeitung gelesen, die US-Amerikaner sind stolz darauf, dass die Leute in Guantánamo Tag und Nacht an den Füßen gefesselt sind, beim Transport an den Händen, mit Knebeln, mit Augenbinden und mit allem Möglichen. Sie sind stolz darauf, dass die Militärtribunale, die jetzt zu arbeiten beginnen werden, ohnehin nicht mehrstimmig Todesurteile fällen können, sondern nur einstimmig – aber nicht für Taten, die begangen worden sind, sondern für die Mitgliedschaft bei irgendwelchen afghanischen oder wo immer angesiedelten Vereinigungen, ohne dass man ihnen persönliche Schuld auch nur nachzuweisen vorhaben würde.


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