Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 167

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Ich möchte hier unterstreichen, dass diese Prozesse ständig auch rasche Reaktionen und Stellungnahmen erfordern, um den von Österreich vorgebrachten Vorstellungen zu einer entsprechenden Berücksichtigung zu verhelfen. In diesem Zusammenhang arbeitet unser Haus, mein Haus, sehr stark auch mit den Nicht-Regierungsorganisationen zusammen – ich denke da zum Beispiel an "amnesty international", aber auch an viele andere, kleinere Nicht-Regierungsorganisationen.

Wie sinnvoll es ist, dass sich unterschiedliche Foren auch mit Menschenrechtspolitik auseinander setzen, zeigt das Beispiel der Todesstrafe: Da kann selbstverständlich die Union ganz anders agieren, als dies beispielsweise nur im Rahmen der Vereinten Nationen möglich ist. Die Union hat, wie Sie wissen, schon seit längerem in einer großen Zahl von Fällen gegenüber den Vereinigten Staaten, was Todesurteile betrifft, immer wieder demarchiert, vor allem, wenn es sich um drohende Exekutionen von Jugendlichen oder geistig kranken Personen gehandelt hat, und ist zum Teil auch als "amicus curiae" den verschiedenen Gerichtsverfahren beigetreten.

In den letzten Monaten wurden auch generelle Demarchen für die Abschaffung der Todesstrafe oder zumindest für ein Moratorium für den Vollzug der Todesstrafe vor allem gegenüber afrikanischen und asiatischen Ländern intensiviert, einschließlich gegenüber Ländern wie China, Saudi-Arabien, Japan, Thailand und Nigeria. – Wir haben ebenfalls interveniert gegen die Folter und vor allem für Rechte von Frauen und Kindern.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Fall besonders herausgreifen, der ein sehr berührender ist und der, glaube ich, uns alle natürlich enorm verstört: den Fall von Frau Safya Husseini. Sie wissen, das ist jene Nigerianerin, die auf Grund einer unehelichen Schwangerschaft in letzter Konsequenz die Todesstrafe durch Steinigung erleiden sollte. – Ich kann Ihnen nur meine persönliche Betroffenheit kundtun: Meine erste Reaktion war selbstverständlich, mich persönlich über jede Entwicklung in diesem Fall sofort zu informieren, dann mit den Anwälten dieser Frau Kontakt aufzunehmen und deren Einschätzung des Falles einzuholen, und dann vor allem, aktiv – auch hier natürlich wieder im EU-Rahmen – all jene Schritte zu prüfen, mit denen dieser Frau geholfen werden kann.

Nun ist aber die Problematik dieses Falles – und ich möchte anhand dieses Falles auch die Komplexheit der Menschenrechte ansprechen – natürlich sehr schwierig. Voreiliges Handeln könnte diese Frau sogar eher mehr gefährden; daher muss man den Fall sorgfältig beurteilen.

In Nigeria selbst sind zwei innerstaatliche Faktoren gegeben: Zum einen spielt sich dieser Fall im Norden Nigerias ab, und zwar im Bundesstaat Sokoto. Dort gibt es ein gespanntes Verhältnis zwischen Zentralregierung und föderalen Stellen. Die Zentralregierung ist gegen die Vollstreckung der Todesstrafe, sie ist sich auch der internationalen Haltung bewusst und hat drei Anwälte für die Verteidigung von Frau Husseini zur Verfügung gestellt.

Auf der anderen Seite ist in den islamischen Nord-Provinzen, wie Sie wissen, die Scharia eingeführt, und man will dort ein Exempel statuieren. – Es gibt einen vierfachen Instanzenzug. Die Gerichtsverhandlung war am 18. März, also an diesem Montag, aber das war erst die Gerichtsverhandlung der zweiten Instanz, das heißt, es ist noch ein Instanzenweg zu beschreiten.

Sie müssen mich jetzt verstehen: Natürlich wäre es sehr leicht, einfach eine Weisung an die Botschaft, an den Botschafter zu geben, eine Demarche durchzuführen. Ich glaube aber – wir alle in der EU haben das besprochen –, wir müssen auch eine gewisse Vorsicht walten lassen. Eine Analyse des Falles durch die EU-Botschafter hat gezeigt, dass durch solch eine Demarche Trotzreaktionen ausgelöst werden können. Unter Umständen würde man sagen: Einmischung von außen – das geht nicht! Das könnte sogar so weit gehen, dass es zu einer Lynchjustiz kommt.

Daher ist es besser so: Kooperation Österreichs mit den Anwälten auch der Europäischen Union und absolute Insistenz im EU-Rahmen, hier alles zu tun, um dem Fall größtmögliche Aufmerksamkeit zu verleihen.


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