Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 100. Sitzung / Seite 46

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Am Wort ist, nachdem ich die Sitzung wieder eröffnet habe, Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Seine freiwillige Redezeitbeschränkung war 10 Minuten. Er hat 4 Minuten gesprochen. Ich stelle jetzt die Uhr auf 6 Minuten, aber es ist, wie gesagt, eine freiwillige Redezeitbeschränkung.

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Pilz.

10.45

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Danke, Herr Präsident! Kurz bevor die Sitzung unterbrochen worden ist, habe ich etwas erlebt, was in diesem Haus zum Glück doch eher selten ist. Ich habe darauf hingewiesen, dass es hier keine Zurufjustiz, von welcher politischen Seite auch immer, geben kann, sondern dass die Prinzipien des Rechtsstaates gelten – für Demonstranten welchen Hintergrundes auch immer.

Interessanterweise ist die einzige sichtbare Zustimmung von Abgeordneten der Opposition gekommen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das gibt mir zu denken, wenn ich mir die Chronologie der laufenden Ereignisse anschaue. Normalerweise, wenn es zur Einleitung eines Strafverfahrens kommt, passiert Folgendes: Die Staatsanwaltschaft wird über einen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt, leitet ein Verfahren ein oder nicht, und dann werden eventuell Presse und Politik informiert.

Wie war es in diesem Fall? – Am 15. April – noch keine Rede von Polizei, noch keine Rede von einer Staatsanwaltschaft – erklärt (Abg. Jung: Spitzelaffäre!) der Klubobmann der ÖVP über die APA, was seiner Meinung nach zu tun sei. Ich zitiere:

"Eine Aktionsgemeinschaft aus Grünen, linken Chaoten, gewaltbereiten Anarchisten sind unter Beteiligung des grünen Nationalratsabgeordneten gewalttätig gegen die Exekutive vorgegangen ... ." (Rufe bei den Freiheitlichen: Öllinger! Öllinger! – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)  – Das erklärt der Klubobmann der ÖVP – nicht die Staatsanwaltschaft, niemand! Der Beginn der Zurufjustiz.

Am nächsten Tag erklärt der Pressestaatsanwalt in Wien der Öffentlichkeit: Ja, die Anzeige sei erstattet worden, er könne noch nicht detailliert über den Inhalt der Anzeige Auskunft geben. Ein Verfahren werde eingeleitet.

Am 17. April, nämlich heute, langt im Laufe des Vormittags erstmals die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wie war denn das bei EKIS?) Der Staatsanwalt hat über etwas berichtet und ein Verfahren für eingeleitet erklärt, von dem er offiziell noch nicht einmal etwas wissen konnte. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das Delikt? Sagen Sie das auch dazu?) Da frage ich mich: Ist das eine weitere Neuerung der Justizpolitik unter Justizminister Böhmdorfer? Ist das eine neue Art und Weise des Umgangs mit dem Rechtsstaat? Wird jetzt auf Zuruf, auf politischen Zuruf ein Verfahren eingeleitet? Erfährt der Staatsanwalt vom Klubobmann der Österreichischen Volkspartei, was er öffentlich zu vertreten und was er ohnehin am nächsten Tag in der Post hat? Beginnt das Verfahren im Klub der ÖVP? Ist die Staatsanwaltschaft Wien die letzte, die davon erfährt, dass sie ein Verfahren zu führen hat?

Meine Damen und Herren! Das garantiere ich Ihnen: Diese Causa werden wir aufklären! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Diese freiheitliche Zurufjustiz ist: Jetzt haben wir den Maulkorb gegen Abgeordnete nicht geschafft, jetzt haben wir die Verschärfung des Strafrechtes gegen Abgeordnete nicht geschafft, jetzt probieren wir es auf Zuruf eines Klubobmanns mit der Staatsanwaltschaft Wien anlässlich einer Demonstration.

Meine Damen und Herren! Wir Grüne werden nicht vorverurteilen, aber ich garantiere Ihnen, Herr Dr. Khol: Diese Frage wird sehr genau untersucht werden. (Beifall bei den Grünen sowie ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Von wem?)

Jetzt zum Kern der ganzen Angelegenheit: Herr Kollege Miedl! Hat das Ganze erst bei den Gewalttätigkeiten am Burgtor begonnen? War da nicht etwas vorher, was Sie völlig vergessen haben? Fand nicht eine angemeldete Demonstration von Neonazis am Heldenplatz statt? War da nicht ein Innenministerium, das eine Kundgebung von Neonazis zu einem einschlägigen Thema


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