Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 101. Sitzung / Seite 17

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Es ist natürlich nicht daran gedacht, den Jugendgerichtshof einzusparen oder aufzulösen, es liegt nur folgende Situation vor: Der Jugendgerichtshof hat einige rechtliche Besonderheiten, die denjenigen – und da gehören wir beide, denke ich, dazu –, denen der Rechtsstaat besonders am Herzen liegt, wegen deren Absonderlichkeit auffallen und bei denen ein gewisser Reformbedarf besteht.

Es sind dort zum Beispiel Bezirksrichter und Richter der Landesgerichtsebene in einer Dienststelle vereint. Es kann etwa dazu kommen, dass der Jugendgerichtshof wegen bestimmter Vorfälle und Vorgänge im Pflegschaftsverfahren plötzlich zuständig wird und ein Akt eines Bezirksgerichtes dorthin transferiert wird. Das sind Dinge, die in rechtsstaatlicher Hinsicht Sorge auslösen.

Es wird überhaupt nichts vom Privilegienbereich und von den Besonderheiten der Jugendgerichtsbarkeit eingeschränkt werden. Bitte, es ist sehr wichtig, dass Sie das zur Kenntnis nehmen. Die Jugendrichter, die jetzt in Jugendstrafsachen judizieren, und die Staatsanwälte, die jetzt in Jugendstrafsachen staatsanwaltliche Tätigkeiten verrichten, werden dies selbstverständlich auch weiterhin tun.

Man muss aber auch dann, wenn man sozial oder fürsorglich denkt, betriebswirtschaftliche Überlegungen mit berücksichtigen. Die gesamte Situation um den Jugendgerichtshof macht es jetzt möglich, ihn in freien Raumkapazitäten beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu integrieren. Es ist klar, dass das nicht mit einer Änderung der Judikatur verbunden ist. Die Integration in das Landesgericht für Strafsachen bedeutet keine Verschlechterung der Situation. Ich weise es zurück, dass die Richter des Landesgerichtes für Strafsachen angeblich eine andere Rechtsprechungsqualität als die Jugendrichter repräsentieren.

Die Staatsanwälte werden ebenfalls in diesem Gebäude ihrer Tätigkeit nachgehen können.

All das ist organisatorisch möglich, weil der Präsident des Jugendgerichtshofes am Ende dieses Jahres in Pension geht. Es werden also auch keine personellen Probleme ausgelöst – das Gleiche gilt für die Leitung der StA Wien.

Es ist insgesamt eine Situation gegeben, die man mit folgendem Schlussstrich beschreiben kann: Es gibt nicht die geringste Verschlechterung der rechtlichen Qualität, der rechtlichen Situation, der Rechtsprechung für die Jugendlichen, auch nicht für die jungen Erwachsenen; im Gegenteil, wir lassen soeben einen Trakt für 70 Insassen in der Justizanstalt Josefstadt speziell für die Bedürfnisse und Erfordernisse der Jugendlichen und jungen Erwachsenen umbauen.

Alle negativen Einwände, die Sie hier vorgebracht haben, sind eigentlich nur Gerüchte, die sich demnächst auflösen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Graf, bitte.

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Opfer verdienen vor Gericht den besten Rechtsschutz und die beste Rechtsvertretung zur Durchsetzung von berechtigten Interessen.

Wie werden Sie sicherstellen, dass Opfer auch in Zukunft einen Rechtsanspruch auf rechtsfreundliche Vertretung ihrer Interessen vor Gericht durch Rechtsanwälte haben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Opfer sind in den letzen Jahrzehnten von der Legistik und von der Politik her tatsächlich nicht so behandelt worden, wie es ihnen zukäme. Das ist eine große Sorge, der ich mich mit viel Energie widme.

Opferschutz wird von uns im Bereich der Prozessbegleitung bereits erfolgreich praktiziert. Wir haben mit dem beschriebenen Fonds im ersten Jahr 54 Verbrechensopfern, im zweiten Jahr 258 Opfern geholfen. Die Zahl wird im Laufe dieses Jahres weiter steigen. Die Opfer werden in


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