Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 184

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Was ich bei dieser Novelle nicht verstehe – gut, sie war jetzt de facto erzwungen, weil es im österreichischen Recht bereits eine große Umsetzungsverzögerung gibt –, ist Folgendes: Warum hat man die Änderung des Gentechnikgesetzes nicht gleich zum Anlass genommen, eine umfassende Novelle auszuarbeiten, die die Probleme, die es vor allem letztes Jahr im Bereich unbeabsichtigter Freisetzungen gab, löst und die die massiven gesetzlichen Lücken schließt? Das Problem existiert nicht erst seit vorgestern oder seit der letzten Woche, sondern das hatten wir schon letztes Jahr bei der Vernichtung von Saatgut, bei den Fragen, wer zuständig ist und wie man überhaupt bei dem so genannten gentechnisch verunreinigten Mais eingreifen kann. Dem es in keiner Weise Rechnung getragen worden. Ich glaube, dass es eigentlich ein Armutszeugnis ist, dass man Probleme so lange negiert und deren Lösung auf die lange Bank schiebt.

Herr Bundesminister! Ich hätte mir gewünscht, dass bereits in dieser Novelle die für alle sichtbare Gesetzeslücke geschlossen worden wäre, wobei es um folgende Fragen geht: Wer ist bei unbeabsichtigten Freisetzungen zuständig? Kommt das Gentechnikgesetz überhaupt zur Anwendung? Wer muss die Entschädigungen leisten? – Es ist dafür zu sorgen, dass man in solchen Fällen sehr rasch durchgreifen kann. Es gibt keine Garantie, dass das heuer nicht wieder passiert. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Wir stehen jetzt mit einem Moratorium in Österreich und einem Moratorium auf europäischer Ebene vor einer sehr problematischen Situation. In Österreich hat es vor fünf Jahren das Gentechnik-Volksbegehren gegeben, wo es ein sehr starkes Votum der österreichischen Bevölkerung dafür gab, dass man die Gentechnologie in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion nicht haben will. Auf europäischer Ebene gibt es jetzt mittlerweile seit vier Jahren einen freiwilligen Verzicht auf Freisetzungsgenehmigungen. Auch die österreichische Industrie hat sich dem angeschlossen. Es hat auch die österreichische Lebensmittelproduktionsindustrie mit dem Lebensmittelkodex einen sehr guten Schritt getan, indem sie gentechnikfreies Produzieren auch rechtlich verbindlich gemacht hat. All diese Vorarbeiten, all diese Bemühungen könnten in diesem Jahr zu einem Ende kommen, und daraus entsteht eine sehr ernste Situation.

Das Moratorium auf europäischer Ebene wird definitiv dieses Jahr fallen, und wenn wir nicht einen starken politischen Willen dahin gehend formulieren, dass wir die Gentechnik in der österreichischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion dezidiert nicht angewandt haben wollen, dann haben wir nächstes Jahr garantiert gentechnisch verändertes Saatgut auf unseren Feldern.

Ich glaube, dass das aus drei Gründen sehr problematisch ist: Es kommen jetzt immer wieder neue Studien, die die ökonomische Sinnlosigkeit beziehungsweise das ökonomische Risiko des Einsatzes von Gentechnik vor allem in der Nähe von Biolandbau sehr deutlich beschreiben. Solche Studien gibt es sowohl von der Europäischen Umweltagentur als auch von österreichischer Seite, und zwar die oberösterreichische Studie, aus welcher sehr klar hervorgeht, dass diese Philosophie des Nebeneinander eigentlich nicht greifen kann.

Es ist juristisch nicht ganz einfach umzusetzen, aber ich und meine ganze Fraktion vertreten massiv die Überzeugung, dass eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Österreich jedenfalls gesichert werden muss und dass es dazu auch Wege gibt. Voraussetzung dafür ist allerdings ein politischer Wille. Diesen politischen Willen sehe ich bei drei Parteien in diesem Hohen Haus, und zwar auch bei den Freiheitlichen, ich sehe ihn aber nicht bei der Österreichischen Volkspartei!

Meine Damen und Herren von der ÖVP, ich appelliere an Sie, Ihren Widerstand gegen ein Konzept, das 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung und drei Viertel der Mitglieder zum Nationalrat eigentlich wollen, aufzugeben und dazu beizutragen, dass wir hier zu einem Konsens dahin gehend kommen, dass wir Österreich dezidiert als gentechnikfreie Landwirtschaftszone etablieren und daraus auch ökonomische Vorteile lukrieren.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite