Durch die Teilnahme Österreichs und Italiens auch an der gemeinsamen Währung konnte natürlich die wirtschaftliche Kooperation zwischen den Tiroler Landesteilen noch weiteren Impetus erhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Streitbeilegung vor zehn Jahren in der vertrauensvollen Erwartung erklärt, dass Italien auch nach unserem Schritt als unser künftiger Partner in der Union, auch im Bewusstsein um die gemeinsamen europäischen Werte, den rechtlichen Besitzstand Südtirols weiter schützen und fördern würde. Ich darf heute sagen: Wir haben uns nicht getäuscht!
Darüber hinaus herrscht heute im Land an Etsch und Eisack sozialer Friede. Das Zusammenleben der verschiedenen Sprachgruppen entwickelt sich gedeihlich, und die Wirtschaft floriert. All dies geht zwar nicht nur, aber doch auch sehr stark auf dieses erfolgreiche Funktionieren der Autonomie zurück.
Wenn nun die Entwicklung der letzten zehn Jahre für Südtirol positiv verlaufen ist, so hängt dies aber auch mit der hohen Qualität der Beziehungen zwischen Österreich und Italien zusammen. Unsere Erfahrungen mit dem offenen Dialog mit Italien über alle Fragen gemeinsamen Interesses, also auch über Südtirol, darf ich als sehr positiv charakterisieren.
Skeptiker haben in jüngster Zeit argumentiert, die gesellschaftlichen Umwälzungen, die in Europa und in der Welt seit der Einigung über das Südtirol-Paket vor fast 33 Jahren eingetreten sind, würden die Südtirol-Autonomie überholt und somit revisionsbedürftig erscheinen lassen. Ich teile diese Meinung nicht! Zwar hat sich im sozialen Gefüge und im Bewusstsein der Menschen natürlich sehr viel geändert; das bedeutet aber nicht, dass die kulturelle Identität mit dem wesentlichen Kriterium der Sprache dem heutigen Menschen kein Anliegen mehr wäre.
Europa betont – ganz im Gegenteil! – mit Nachdruck den Diskurs über die Minderheiten und die Notwendigkeit des Schutzes dieser Identität. Wir haben dazu gestern den Generalsekretär des Europarates bei uns gehabt. Er hat uns das noch einmal ganz klar bestätigt.
Die Grundpfeiler der Südtirol-Autonomie, die genau dieses Ziel verfolgen, haben sich meiner Überzeugung nach als friedensstiftende Instrumente bewährt.
Sehen wir uns die heutige Welt mit ihren zahlreichen gewaltsam geführten Konflikten um ethnische Minderheiten an! Einige haben sich ja auch vor unserer Haustür abgespielt. Das hilft uns, zu ermessen, welcher Erfolg diese Südtirol-Lösung war und wie wichtig unser Einsatz ist, auch in anderen Streitfällen im Rahmen der Europäischen Union, der OSZE – ich erinnere hier an die österreichische Präsidentschaft im Jahre 2000, wo wir so viele Streitfälle im Bereich der Minderheiten hatten –, aber auch der Vereinten Nationen zu einer friedlichen Beilegung zu mahnen und entsprechende Maßnahmen zu unterstützen.
Ich bin überzeugt davon, dass von dieser Südtirol-Lösung eine wirkliche Vorbildwirkung für die Lösung anderer Minderheitenkonflikte ausgehen kann. Über die Grundprinzipien und die Kernlemente der Südtirol-Autonomie kann heute kein europäischer Politiker, der Verantwortung für Sprachen und Minderheiten hat, hinwegsehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung grundsätzlicher Art. Ich habe gestern schon angeführt, dass es eine gewisse Analogie gibt zwischen der Situation des Jahres 2000 und der heutigen. Damals gab es auf der einen Seite Minderheitenkonflikte in Jugoslawien und auf der anderen Seite trotzdem die Hoffnung, in die Europäische Union zu kommen. Heute ist es ja in gewisser Weise ähnlich: auf der einen Seite immer noch große Konflikte im Nachbarschaftsbereich, auf der anderen Seite die EU-Erweiterung. Daher darf ich doch die Frage in den Raum stellen: Wäre es nicht richtig, auch hier zu einer Kultur der Vergangenheitsbewältigung und der Streitbeilegung zu kommen? – Ich glaube, die Antwort kann nur ein entschiedenes Ja sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Österreich unterstützt diese EU-Erweiterung mit Nachdruck, aber ich glaube, es sollte auch dieser große historische Schritt für uns und auch für andere, für Nachbarländer, ein Anlass sein,