Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 219

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Horn. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

21.50

Abgeordneter Josef Horn (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich verstehe die Aufregung bei den Regierungsparteien nicht, wenn sich Abgeordnete der Opposition besorgt über den Einsatz von Chemie in der Produktion zeigen. Ich verstehe das einfach nicht. Es sind viele Landwirte unter Ihnen, die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln arbeiten, aber auch viele, die sich dieser Produktionsart nicht zuwenden.

Die Thematik der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Regierungsvorlage zum Agrarrechtsänderungsgesetz muss in der ganzen Tragweite gesehen werden. Wir stimmen heute unter dem Überbegriff Agrarrechtsänderungsgesetz über elf Gesetzesänderungen ab. Sehr geehrte Damen und Herren! Würden diese Änderungen nicht an Experten zur Begutachtung ausgesendet und deren Stellungnahmen entsprechend in die Regierungsvorlage eingearbeitet werden, dürften solche Pakete nicht dem Ausschuss vorgelegt werden, weil dort einfach zu viele verschiedene Themen zu pauschal behandelt werden müssen. (Abg. Schwarzenberger: Sie waren in Begutachtung!) Ich habe ja nichts anderes behauptet, Herr Schwarzenberger.

Demgemäß wurde der Großteil der Diskussion im Ausschuss auch dem Thema Pflanzenschutzmittel gewidmet. Der Vorschlag, dass Pflanzenschutzmittel, die derzeit in Deutschland zur Vernichtung von unerwünschten Pflanzen und Tieren in der natürlichen Produktion von Pflanzen, Getreide, Gemüse und Obst zugelassen sind, ohne weitere Zulassung auch in Österreich zum Einsatz gelangen können sollen, macht uns Sorge. Deswegen stimmen wir diesen Änderungen auch nicht zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Spricht man in Österreich von 302 zugelassenen chemisch zusammengesetzten Vernichtungsmitteln, so stehen diesen in Deutschland gezählte 299 Mittel gegenüber, die ähnliche Zusammensetzungen aufweisen wie die Mittel unseres Landes. Dass es den Agrarbetrieben, welche vorrangig Chemie in der Produktion einsetzen, darum geht, gleichwertige Stoffe durch den größeren Markt bedeutend billiger zu erhalten, ist zu verstehen. Ich denke aber, Sie alle haben die Aussagen der chemischen Industrie gehört und haben auch die Aussendung bekommen, worin diese behauptet, die chemischen Mittel würden in diesem Fall nicht billiger werden, weil sie darauf drängt, die Beratung, die sie bisher kostenlos durchgeführt hat, dann auf den billigeren Preis, zu dem sie gezwungen werde, aufzuschlagen.

Sowohl die Sorge der Letztverbraucher als auch die der biologisch produzierenden Betriebe in Österreich gilt der Auswirkung dieses Chemieeinsatzes in der Landwirtschaft. Aber ist nicht der Konsument auch Teil dieses Prozesses, wenn er Produkte fordert, die im Regal aussehen, als ob sie von Künstlerhand geschaffen wurden?

Ich als biologisch produzierender Landwirt im Milch- und Fleischsektor kenne all diese chemischen Keulen nicht, die Produktion ist daher auch entsprechend geringer im Ertrag, die Konsumenten sind jedoch vielfach nicht bereit, für das qualitativ hochwertige Endprodukt den erforderlichen Preis zu zahlen. Das war grundsätzlich zu erwarten, da viele gesetzliche Änderungen und Verordnungen dazu geführt haben, dass auf den Höfen der vielen kleinen Betriebe Österreichs keine Kuh, kein Kalb, kein Schwein mehr geschlachtet werden darf, ohne dass eine sündteure EU-gerechte Schlachtstelle mit Kühlraum und vielem mehr für die Direktvermarktung vorhanden ist. (Abg. Auer: Das ist absolut richtig!) So bleibt nur noch die Möglichkeit, sich dem Preisdiktat der Fleischhöfe zu unterwerfen, was kommerzielle Produktion mit höheren Erträgen und anonymer Verarbeitung in Fabriken bedeutet oder, wie vielfach zu sehen ist, das Aufgeben vieler Betriebe – speziell im arbeitsintensiven Milchproduktionsbereich.

Die Hoffnung der vielen Milchbauern in Österreich, die Finanzzuschüsse – wie seit Jahren von den SPÖ-Bauern gefordert – weg von den maschinenorientierten Getreidebetrieben hin zu den arbeitsaufwendigen Milchbetrieben zu bringen, wurde bis heute von diesem Bundesminister nicht erfüllt. Ein entsprechender Antrag der sozialdemokratischen Fraktion für eine grundlegende Neuausrichtung des Agrarsystems durch radikale Umstellung des Förderungssystems mit


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