Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 165

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Im Umkehrzug wird genau so liberalisiert, dass Konsumentenschutz und ArbeitnehmerInnenschutz – gleichwohl nicht Kernbestandteil dieser Materie, ich gebe es zu – in manchen Bereichen verschlechtert werden. Deshalb kann ich der Euphorie meines Vorredners in keiner Weise folgen. Es hätte die Chance bestanden, mehr daraus zu machen, aber diese Chance wurde ausgelassen. (Beifall bei den Grünen.)

In der leidigen Frage von Abänderungsanträgen, die wir ja heute auch noch über uns ergehen lassen müssen, im wahrsten Sinne des Wortes, muss ich zur Form des Einbringens schon auch noch etwas sagen. Dass Sie Abänderungsanträge zu solch sensiblen Materien, die letztlich den Datenschutz tangieren, heute hier noch während der Debatte eingebracht haben, könnte ich mir nur damit erklären, dass Sie – und das müsste man zurückweisen – eben bis zum Schluss warten und die Opposition nicht mit einbeziehen; soweit ich informiert bin, hat auch die SPÖ überhaupt nichts im Vorfeld erfahren. Seit gestern laufen wir diesen Anträgen hinterher, es kommt nichts, und plötzlich ist doch etwas da – so kann es nicht gehen!

Der einzige Entschuldigungsgrund, den Sie vorbringen können, ist, dass sich Ihre Klientelen, die Sie wechselseitig vertreten – mehr gegeneinander als miteinander offensichtlich –, überhaupt nicht einig geworden sind und Sie als deren verlängerte Arme hier herinnen offensichtlich auch nicht.

Dass Sie nicht in der Lage sind, bei einem so genannten Jahrhundertwerk, das ein Jahr lang verhandelt wird, wesentliche Materien im Vorfeld abzuklären, sondern sie noch während der Debatte hier hereinschummeln – in letzter Not GO-konform –, das finde ich schon ein bisschen enttäuschend. Wir sollten uns angewöhnen, das bei Themen, bei denen wir gute Chancen hätten, Vier-Parteien-Einigungen zustande zu bringen, anders zu handlen.

Ich darf zur Grundsatzkritik noch ein weiteres Beispiel hinzufügen. Kommen wir zu den Gastwirten; ein durchaus lohnendes Beispiel, um zu schauen, wie weit hier die Liberalisierung fortgeschritten ist. Die ganze Liberalisierung besteht im Wesentlichen darin, dass – mit Verordnungen unterstützt – hinkünftig allenfalls auch noch Akademiker ein Gastgewerbe eröffnen können. Also Kollege Pilz dürfte ein Gasthaus aufmachen, Kollege Van der Bellen und andere auch; wäre vielleicht gar nicht so schlecht. (Abg. Böhacker: Es ist nur die Frage, ob jemand hinkommt!)  – Da würden genug kommen; ob wir alle hineinließen, ist eine andere Frage.

Aber es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wieso Absolventen der Ägyptologie – um diesen Bereich zu strapazieren, aber nichts gegen die Ägyptologie – in der Lage sein sollen, ein Gasthaus zu eröffnen, derjenige aber, der eine Handelsakademie abgeschlossen hat, das nicht darf. Ich verstehe das nicht! Ich hätte vermutet, dass zumindest in den österreichischen Handelsakademien Dinge gelehrt werden, die zur Bewältigung zumindest des kaufmännischen Teiles des ganzen Wirtshaustreibens befähigen sollten. Erklären Sie uns bitte, wo hier dieser Jahrhundertwurf sein soll, den Sie so belobigen!

Ich muss Ihnen sagen, es wäre eine sehr lohnende Debatte, wenn wir uns darüber unterhalten würden, wo der Markt weitere Deregulierung brauchen würde. Da gibt es etliche Bereiche, wo wir uns noch einigen könnten. Wir hätten – und das war die ursprüngliche Intention vor Monaten, wir haben Ihnen das signalisiert – durchaus gerne zugestimmt, wenn mehr weitergegangen wäre. Aber wenn das Grundprinzip wirklich das ist, dass genau bei den Zugangsbeschränkungen, dort, wo sozusagen der Kern der Wahrheit und der Intention der Gewerbeordnung liegt, am wenigsten weitergeht, währenddessen in anderen Bereichen durchaus schützenswerte Mechanismen des Staates abgebaut werden und anderenorts, etwa im ArbeitnehmerInnenschutz, im Konsumentenschutz, nichts Adäquates passiert, dann ist das in der Tat eine Sache, die neben kleinen Fortschritten durchaus auch zu Verschlechterungen führt.

Deshalb mein Resümee: eine große Chance vertan und zusätzlich Verschlechterungen erwirkt. – Unsere Zustimmung dürfen Sie nun nicht erwarten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.58


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