Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 229

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ob der Herr Staatssekretär oder der Herr Justizminister hier ist, denn ich habe leider Gottes erfahren, dass es eigentlich völlig egal ist, welche Vorschläge man anbietet und welche Art und Weise an Diskussionsbedarf man ortet: Es wird ohnedies so abgestimmt, wie es weder die Experten noch jene, die sonst Erfahrungswerte einbringen, wollen, und es wird keine Möglichkeit geschaffen, hier eine Diskussion zu führen.

Wir haben heute hier zum § 209 erstaunlicherweise eine Vorlage, die dem Vernehmen nach aus der Feder des Herrn Khol geflossen ist, die nicht einmal im Justizausschuss beraten wurde, die also ängstlich an jeder Expertenmeinung vorbeigehievt wurde, und so befassen wir uns jetzt hier mit Ihrer neuen Qualität von Gesetzen. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Bundesminister! Ich darf Sie herzlich begrüßen.

Ich meine, dass heute viele, die in der Sache kundig sind, nicht zu Unrecht von einer Nacht der Unvernunft sprechen. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Man muss zur Kenntnis nehmen, dass das im Justizbereich besonders evident ist.

Wir verabschieden nun ein Strafrechtsänderungsgesetz, im Zusammenhang mit welchem wir es zustande gebracht haben, dass auf Grund der völlig überschießenden Bestimmungen erheblichste Bedenken bestehen. Außerdem haben wir in Fortsetzung einer Reihe von Vorhaben etwas zustande gebracht, was Sie auch in der Vergangenheit schon ausgezeichnet hat: dass Sie mit der Datenrückerfassung von Bewegungsdaten mehr oder weniger halb Österreich jederzeit überprüfbar machen. Ich weiß nicht, ob sich die Kolleginnen und Kollegen von der schwarzen und der blauen Regierungspartei bewusst sind, wozu sie die Zustimmung geben, dass nämlich sie selbst und alle anderen aus ihrem Wahlkreis, für die sie eintreten müssen, verfolgbar sind. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Herr Jung ist wahrscheinlich der Einzige, der sich wirklich darüber freut, und das wahrscheinlich aus Gründen, die wir nicht unbedingt für wünschenswert erachten.

Außerdem gibt es noch eine "tolle" Bestimmung, die auch als innovativ gilt, nämlich dass wir im Strafgesetzbuch endlich die Ihnen so verhasste Neutralität streichen. Sie würden natürlich keine Mehrheit für die Streichung der Neutralität aus der Bundesverfassung zustande bringen, denn Sie getrauen sich natürlich nicht, das Wort in der Öffentlichkeit im negativen Sinn in den Mund zu nehmen – außer der Herr Bundeskanzler, der einmal in einem Anfall von Redewut den Vergleich mit Mozartkugeln gezogen hat. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Daher gehen Sie es jetzt mutig an und streichen die Überschrift einer Gesetzesbestimmung, in der das Wort "Neutralität" steht, damit Sie – etwas sublimierend, wie ich meine – zeigen können, dass Sie damit nichts im Sinn haben.

Ich möchte sagen: Das zeichnet Sie nicht aus! Sie gehen einer öffentlichen Diskussion aus dem Weg, und das zeichnet Sie lediglich im negativen Sinn aus. Das bedaure ich. Ich glaube aber, dass Sie der Öffentlichkeit doch irgendwann einmal werden sagen müssen, wofür Sie eigentlich stehen und nicht stehen in diesem Land.

Betreffend § 209 ist festzustellen – und das verstehe ich –, dass Sie krampfhaft bemüht sind, die Argumentationen des Verfassungsgerichtshofes zu vertuschen; eigentlich war es hauptsächlich Herr Bundeskanzler Schüssel. Ich möchte hier schon sagen, dass einige von der FPÖ in der Diskussion immer wieder zu verstehen gegeben haben, dass auch sie der Meinung sind, dass hier eine relativ massive Grundrechtsverletzung vorliegt. Das war eigentlich absehbar, denn uns wurde in verschiedenen Diskussionen auch hier im Haus von Expertinnen und Experten beschieden, dass dieser § 209 nicht nur einzigartig in ganz Europa war – ich glaube, Kollege Amon hat einmal wegen eines Gipsfußes an der Abstimmung nicht teilnehmen können –, sondern dass er auch schlicht und einfach dem Verfassungsbestand nicht entspricht. (Abg. Amon: Im Gegenteil! Da bin ich sogar mit Gipsfuß hergekommen!)

Daher haben Sie das bekommen, was Sie eigentlich wollten – das ist auch nicht unbedingt ein Zeichen von Größe –: dass nämlich nicht die Regierung in Kenntnis des Umstandes, dass eine Verfassungswidrigkeit vorliegt, diese beseitigt, sondern dass sie wartet, bis der Verfassungs


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